Gegen die bestehende Verwaltungspraxis der Anordnung sog. Drogenscreenings
Die Jungen Liberalen sprechen sich gegen folgende Verwaltungspraxis der baden-württembergischen Straßenverkehrsbehörden aus: Bei leichten Drogendelikten, bei denen die Staatsanwaltschaften das Strafverfahren nach § 31a Abs. 1 BtMG einstellen, ordnen die Straßenverkehrsbehörden aufgrund eines Erlasses des baden-württembergischen Innenministeriums regelmäßig die Durchführung drei bzw. vier sog. Drogenscreenings (Urinproben) auf Kosten des Betroffenen an.
Um jedwede Mißverständnisse von vornherein auszuschließen:
Die Jungen Liberalen sind zur Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs gegen jegliche Drogen am Steuer. Nimmt jemand unter Drogeneinfluß am Straßenverkehr teil, so ist die Anordnung von Drogenscreenings (Urinproben) nach Auffassung der Jungen Liberalen eine sinnvolle und angemessene Maßnahme.
In Fällen, in denen ein Zusammenhang zum Straßenverkehr gänzlich fehlt, erachten die Jungen Liberalen diese Verwaltungspraxis hingegen als „Bestrafung“ durch die Hintertür. Der Erlaß des Innenministeriums führt dann zudem zu einer in medizinischer Hinsicht nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber dem Konsum von Alkohol. Darüber hinaus stellt sich in praxi die Vorgehensweise der Straßenverkehrsbehörden bei der Anordnung der Urinproben als diskriminierender und unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheit der Betroffenen dar. Des weiteren ordnet der Erlaß des Innenministeriums einen in datenschutzrechtlicher Hinsicht bedenklich stimmenden Datenaustausch an und konterkariert das von den Jungen Liberalen und der F.D.P. angemahnte Umdenken in der Drogenpolitik.
Die Jungen Liberalen fordern daher die Rücknahme des Erlasses des Innenministers vom 21.03.1991, Az 3-6-4313/402. In Fällen, in denen ein Zusammenhang zum Straßenverkehr gänzlich fehlt„ ist der Erlaß und die durch ihn ermöglichte Verwaltungspraxis im einzelnen unter folgenden Gesichtspunkten rechtsstaatlich unerträglich und politisch unsinnig:
Ungleichbehandlung
Die Drogenscreenings (Urinproben) dienen als vorbereitende Maßnahmen für eine medizinisch -psychologische Untersuchung. Im Zusammenhang mit Alkohol werden derlei Maßnahmen regelmäßig dann angeordnet, wenn jemand mit einer BAK von 1,1% im Straßenverkehr angetroffen wurde. Drogenscreenings werden aber nach der baden-württembergischen Verwaltungspraxis auch dann angeordnet, wenn jemand zu Hause 0,5 Gramm Haschisch liegen hat.
Dies ist evidentermaßen eine Ungleichbehandlung. Die Verwaltung beruft sich zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung auf die These vom Echorausch, die auch in einem zwölf Jahre alten Gutachten des Bundesgesundheitsministers vertreten wird. Beim Genuß von Cannabis gilt die These vom Echorausch jedoch heute als wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Infolgedessen wurde sie beispielsweise aus der gutachterlichen Richtlinie „Verkehr und Medizin“ herausgenommen.
Völlig zu recht hält daher sogar die höchstrichterliche Rechtsprechung die These vom Echorausch für „überprüfungsbedürftig“ sowie pauschal und plakativ“
In den (häufigen) Fällen, in denen die Tatsache, daß der Betroffene Inhaber einer Fahrerlaubnis ist, einziger Anknüpfungspunkt für die Anordnung der Drogenscreenings ist, ist diese Praxis aus jungliberaler Sicht willkürlich und unverhältnismäßig.
Unverhältnismäßigkeit
Die Anordnung der Drogenscreenings hat für den Betroffenen neben der finanziellen Seite folgende praktische Konsequenzen: Die Anordnung der Urinproben erfolgt in unregelmäßigen Abständen von ca. drei bis fünf Monaten. Der Betroffene hat nach Zustellung des Bescheides zwei Tage Zeit, die Urinproben beim TÜV abzuliefern. Kommt der Bürger seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, so ziehen die Behörden die Fahrerlaubnis ein.
Das bedeutet: Jemand, der in Baden – Württemberg mit geringsten Mengen weicher Drogen erwischt wird, muß in der Folge über einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten de facto abrufbereit sein, will er sich nicht der Gefahr des Führerscheinverlusts aussetzen. Mag der Betroffene auch selbst in vorwerfbarer Weise die Ursache für all diese Folgen gesetzt haben, so gelten doch auch in Baden-Württemberg rechtsstaatliche Grundsätze, wonach Eingriff in die persönliche Freiheit verhältnismäßig zu sein haben. Über einen Zeitraum von einem Jahr „abrufbereit“ zu sein, steht nach Ansicht der Jungen Liberalen nicht im Verhältnis zu dem Vergehen, im Besitz einer kleinen Menge Haschisch zu Deshalb halten die Jungen Liberalen die derzeitige Verwaltungspraxis in Fällen, in denen kein Zusammenhang zum Straßenverkehr besteht, unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten für nicht akzeptabel.
„Bestrafung“ und Kriminalisierung durch Hintertür
Die Kostenlast der Urinproben ist zwar rechtlich keine Strafe, gleichwohl ist aus der Perspektive eines durchschnittlichen Betroffenen der Betrag von ca. DM 700,- (dreimal 195,-plus Kosten der Anordnungen) in tatsächlicher Hinsicht so etwas wie eine Geldbuße. Der Sanktionscharakter der Anordnungen wird noch verstärkt durch folgende Standardformulierungen der Straßenverkehrsbehörden: „Besitzer von kleinen Drogenmengen sind aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze in der Regel auch Drogenkonsumenten.“ „Es bestehen erhebliche Bedenken gegen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, weil nicht auszuschließen ist, daß der Betroffene regelmäßig Drogen konsumiert.“ Die Behörden vermuten also „aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze“ sogar bei Ersttätern regelmäßigen Drogenkonsum. Der Besitz von Betäubungsmitteln ist bekanntlich strafbar. Aus liberaler Sicht ist diese Vermutungsregel eine unnötige und unzulässige Kriminalisierung der Betroffenen, die den Sanktionscharakter der Anordnungen verstärkt.
Obwohl die Staatsanwaltschaften bei leichten Drogendelikten regelmäßig die Strafverfahren einstellen, folgt hier durch die Hintertür eine „Bestrafung“- angeordnet nicht durch einen Richter, sondern vom Innenministerium.
Datenschutzrechtliche Bedenken
Die Verkehrsbehörde wird tätig aufgrund der ihr von der Polizei zugeleiteten Informationen. Datenschutzrechtlich ist die im Erlaß des Innenministeriums angeordnete Weitergabe der Daten zumindest so bedenklich, daß der Datenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg sich bereits wiederholt mit dieser Praxis befassen mußte.
Die Drogenscreenings im Lichte repressiver und präventiver Drogenpolitik
Die bestehende Verwaltungspraxis der Anordnung von Drogenscreenings konterkariert alle liberalen Bemühungen für eine effektivere Drogenpolitik und eine Entkriminalisierung der Betroffenen. Dieser „Erfolg“ des Innenministeriums ist offensichtlich gewollt: Der die Straßenverkehrsbehörden ermächtigende Erlaß des Innenministers trägt den Titel „Verbesserung der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität“ und nicht etwa „Verbesserung der Sicherheit der Straßenverkehrs“.
Damit zeigt das Innenministerium selbst an, daß es in der Sache keineswegs wie von den Straßenverkehrsbehörden behauptet um die Verhinderung von Verkehrsunfällen, sondern allein um die Sanktionierung von Haschischkonsum geht. Die derzeitige Drogenpolitik ist gescheitert. Die Verwaltungspraxis der Anordnung von Drogenscreenings ist Teil der bestehenden repressiven Drogenpolitik.
Eine effektive Drogenpolitik müßte demgegenüber – neben der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels – auf den verantwortungsbewußten Umgang mit Drogen zielen.
Der Erlaß des Innenministers und die dadurch ermöglichte Verwaltungspraxis sind ein – in die Freiheit der Betroffenen unverhältnismäßig eingreifender – Schritt in die falsche Richtung.
Die Jungen Liberalen fordern daher die Rücknahme des Erlasses des Innenministers vom 21.03.1991, AZ 3-6-4313/402.