01.06.2025

Eine liberale Reform für Heilmittelerbringer


Präambel 

 Die Fähigkeit zu sprechen und sich schmerzfrei zu bewegen, gehört zu einer guten
 Lebensqualität. Liegen in diesen Bereichen Einschränkungen vor, wird ein Besuch beim
 Logopäden, Physiotherapeuten oder Ergotherapeuten notwendig. Diese Berufsgruppe ist
 allerdings nicht nur da, wenn Einschränkungen vorliegen. Ihr Tätigkeitsbereich
 umfasst die Prävention, Akutbehandlung, sowie die Nachbehandlung. Sie sind also vor,
 während und nach dem gesundheitlichen Ereignis da. Aufgrund des eklatanten
 Fachkräftemangels sind Therapieangebote oftmals schwer erhältlich oder fehlen gar
 völlig. Außerdem sehen sich Therapeuten bis heute fachlichen Vorurteilen gegenüber
 gestellt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Jungen Liberalen wollen Vorurteilen
 entgegentreten und eine bestmögliche Versorgung für Betroffene gewährleisten. Um dies
 zu erreichen, reichen die bisherigen Lippenbekenntnisse und halbherzigen Maßnahmen
 nicht aus. Es benötigt konkrete und effektive Maßnahmen zur Verbesserung der
 aktuellen Versorgungslage für Menschen mit Einschränkungen im Heilmittelbereich. 

 Kindertagesstätten und Schulen 

 Sprachliche sowie motorische Auffälligkeiten werden leider bis heute zu spät
 festgestellt. 

 Wir fordern für Bildungseinrichtungen daher ein verpflichtendes Vorgehen zur
 Feststellung von Auffälligkeiten, um eine angemessene Unterstützung gewährleisten und
 eine bei Bedarf ambulante Versorgung einleiten zu können. Hierfür fordern wir ein
 interdisziplinäres Expertengremium mit Vertretern aus Pädagogik, Medizin,
 Heilmittelerbringern und bei Bedarf auch Psychologie. Außerdem sollen in den
 Kindertagesstätten ab dem 3. Lebensjahr jedes Jahr Sprachstandserhebung durchgeführt
 werden und der motorische Entwicklungsstand dokumentiert werden. 

 Für Erzieher und Lehrer sollen Fort-und Weiterbildungen angeboten werden, um
 sprachliche und motorische Defizite besser feststellen zu können und die Kinder
 fachlich bestmöglich zu unterstützen. 

 Ambulante Therapie und stationäre Klinikaufenthalte

 Nach klinischen Aufenthalten kommt der Nachbetreuung ein außerordentlicher
 Stellenwert zu, um therapeutische Erfolge langfristig zu sichern. Deswegen fordern
 wir ein besseres, abgestimmtes Entlassmanagement, welches den Übergang zwischen
 stationärer und ambulanter Behandlung in beide Richtungen sicherstellt. Hierunter
 fallen beispielsweise, die Suche nach einem ambulanten Therapieplatz. So kann der
 stationär erreichte Behandlungserfolg langfristig gesichert und in den Alltag
 transferiert sowie weitere Verbesserungen erzielt werden.

 Versorgungssituation Stadt & Land 

 Um die Wartezeiten im Bereich der Logopädie, Physiotherapie, sowie Ergotherapie zu
 reduzieren, soll der Einsatz der Videotherapie regelhaft ermöglicht werden. Damit
 dies erreicht werden kann, wird eine hierfür abrechenbare Leistungsposition im
 Heilmittelkatalog für entsprechende Diagnoseschlüssel eingeführt. Datenschutz und
 Datensicherheit müssen hierbei entsprechend gewährleistet sein.

 Um den ländlichen Raum zu stärken, braucht es Förderprogramme und Anreize, damit sich
 in unterversorgten Regionen  entsprechend Fachleute niederlassen.

 Die Terminservicestellen sind flächendeckend auch für die Vermittlung von
 Heilmitteltherapieplätzen auszubauen und für alle gängigen Kontaktwege (per E-Mail,
 per Telefon, per Fax, postalisch, in Gebärdensprache) zu öffnen.

 Ausbildung und Studium von Heilmittelerbringern

 Um den steigenden Bedarf an Heilmittelerbringern zu decken, muss die Anzahl der
 Studienplätze und Ausbildungsplätze erhöht werden.

 Die pilotmäßig erprobten Studiengänge für Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie
 sind in die Regelhaftigkeit zu überführen. Der Weg  berufsbegleitend zu studieren
 soll möglich bleiben, um den verschieden Lebenssituationen der Lernenden gerecht zu
 werden. Die Schulgeldfreiheit bei der Ausbildung wollen wir beibehalten. Bei der
 Gegenfinanzierung unterstützt der Bund. Des Weiteren sollen in die Ausbildung der
 Physiotherapeuten für die Berufsausübung erforderliche Zertifikate, in die Ausbildung
 integriert werden. 

 Sämtliche Ausbildungsgänge sollen inhaltlich besonders in den  Bereichen Wissenschaft
 und Forschung, sowie Abrechnung reformiert werden, damit in Zukunft evidenzbasierter
 gearbeitet werden kann. Der Lehrplan wird auf seine Aktualität überprüft und an
 entsprechenden Stellen überarbeitet.

 Der Berufsabschluss wird nach 10 Jahren Berufserfahrung dem Bachelor gleichgestellt. 

 Um die Mündigkeit von Betroffenen zu fördern und therapeutische Einrichtungen zu
 entlasten, sollen Selbsthilfegruppen finanziell gestärkt werden.

 Abbau von Vorurteilen und Prävention 

 Wir fordern eine umfangreiche Kampagne durch die BZgA zur Aufklärung über die 
 tatsächliche Arbeit der Berufsgruppe der Heilmittelerbringern um etwaigen Vorurteilen
 vorzubeugen.

 Zur Prävention von Besuchen beim Physiotherapeuten und Logopäden soll es ein
 entsprechendes Programm erarbeitet werden, um die Bewegung von Kindern und
 Erwachsenen zu fördern und eine entsprechende Kampagne gestartet werden, um Eltern
 aufzuklären, wie die Kinder zu Hause am besten sprachlich gefördert werden können. 

 Rahmenbedingungen 

 Die JuLis begrüßen die bereits eingeführten Reformen zu den Verhandlungen mit dem
 GKV. Diese müssen allerdings auch in die Praxis umgesetzt werden und können lediglich
 ein erster Schritt in die richtige Richtung sein .

 1.) Die Leistungsposition für Therapieberichte in der Logopädie begrüßen wir. Die
 inhaltliche Ausrichtung des dafür eingeführten Musters, gehört allerdings an die
 fachlichen Anforderungen von Ärzten und Therapeuten angepasst. 

 2.) Der Heilmittelkatalog wird regelmäßig auf seine Aktualität geprüft und
 entsprechend entrümpelt. 

 4.) Die Blankoverordnung wird, sofern erfolgreich, nach der Pilotphase für die
 entsprechenden Leistungspositionen regelhaft eingeführt.

 5.) Ein Direktzugang zu Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie und Podologie soll in
 einer Pilotphase erprobt werden und bei Erfolg in die Regelhaftigkeit überführt
 werden. Hierfür sind die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen zu klären und
 entsprechend anzupassen. 

 6.) In Zukunft soll es im gemeinsamen Bundesausschuss jeweils zumindest eine
 beratende Funktion für Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie und Podologie geben,
 damit diese Berufsgruppen eine Stimme in diesem Gremium haben. 

 7.) Die interdisziplinäre Arbeit zwischen Medizin, Logopädie, Ergotherapie,
 Physiotherapie und Podologie soll noch stärker gefördert werden. 

 Zusammenarbeit mit der Medizin

 Oftmals werden Verordnungen sehr spät oder gar zu spät ausgestellt, weil geglaubt
 wird, dass sich die Auffälligkeiten rauswachsen. Das ist in den meisten Fällen leider
 nicht der Fall. Für Ärzte sollen deshalb Fortbildungen angeboten werden, damit das
 fachliche Wissen freiwillig im Bereich Sprachentwicklung und motorische Entwicklung
 auf dem aktuellsten Stand bleibt und erweitert werden kann.

 Um die nachhaltige, gesundheitliche Sicherung der Patienten sicherzustellen, fordern
 wir eine engere Zusammenarbeit zwischen Ärzten/Chirurgen und
 Physiotherapeuten/anderen Heilmittelerbringern wie Orthopädietechnikern.

 In diesem Zug wollen wir die Finanzierung von Operationen so ändern, dass diese nur
 noch dann durchgeführt werden, wenn sie auch wirklich notwendig sind. Wir fordern in
 diesem Zusammenhang die Beurteilungshoheit bei den behandelten Ärzten und
 Therapeuten. 

 Selbstverwaltung

 Der Einrichtung einer Therapeutenkammer stehen wir grundsätzlich offen gegenüber. Die
 Aufgaben und Zuständigkeiten einer solchen Kammer müssen aber klar und deutlich
 definiert sein. Außerdem fordern wir regelmäßige Wahlen des Vorstands einer solchen
 Kammer, sowie ein entsprechendes Mitspracherecht der Mitglieder beispielsweise durch
 Mitgliederbefragungen.

 Bürokratieabbau 

 Der Bürokratieaufwand der Heilmittelerbringer ist viel zu hoch.

 Entsprechend möchten wir die Zeit am Patient steigern indem wir Barrieren abbauen.  

  1.  Möglichst schnelle Digitalisierung von Abrechnungen und Rezeptänderungen
  2.  Die Verantwortung zur Prüfpflicht soll auf den Prüfstand gestellt werden,
     solange es keinen Direktzugang gibt
  3.  Die Verordnungssoftware der Ärzte soll regelmäßig überarbeitet werden, damit
     weniger Verordnungen falsch ausgestellt werden. 

 Pandemische Sonderstellung

 Um in den Bereichen der Physio- sowie Ergotherapie erfolgreiche Therapieziele auch in
 pandemischen Lagen gewährleisten zu können und den Besuch beim Physiotherapeuten
 zukünftig zu vermeiden, sollen künftig zertifizierte Schwimmbäder sowie
 Fitnessstudios geöffnet bleiben.

 Gültigkeitsdauer: 10 Jahre

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