19.10.2025

Innovationsmotor der Freiheit bleiben – Für eine modernisierte FDP Baden-Württemberg

Das Ausscheiden der Freien Demokraten aus dem Deutschen Bundestag ist ein
 gravierendes Alarmsignal an die Zukunft des organisierten Liberalismus in unserem
 Land. Es ist unabdingbar, dass die FDP personelle, inhaltliche und strukturelle
 Veränderungen anstreben muss, um in der Parteienlandschaft sichtbar zu bleiben.
 Sowohl für aktuelle als auch neue Mitglieder muss ein attraktives Umfeld geschaffen
 werden, um die programmatischen Ideen von morgen zu entwickeln. 

 Baden-Württemberg ist seit den Anfängen der Bundesrepublik ein stabiler Anker und
 liberales Stammland für die Freien Demokraten. Dem daraus erwachsenen Anspruch können
 wir jedoch nur gerecht werden, wenn wir uns als Liberale auch strukturell immer
 wieder neu hinterfragen und uns nicht auf dem Status Quo ausruhen. Auch als Junge
 Liberale werden wir uns kritisch mit unseren Strukturen auseinandersetzen und fordern
 selbiges auch von den Freien Demokraten ein. Entsprechend unseres Anspruchs, die
 Freien Demokraten kritisch-konstruktiv zu begleiten, fordern wir folgende
 strukturelle Reformen für die FDP Baden-Württemberg:

 1. Demokratische, transparente und partizipative Listenaufstellungen

 Die Listenaufstellung für die Bundes- und Landtagswahlen bestimmt das Personal, das
 die Freien Demokraten in die Parlamente entsenden. Dieser Prozess ist jedoch sehr
 stark von Absprachen durch Bezirksverbände und daraus resultierendem Regionalproporz
 geprägt. Wir sind davon überzeugt, dass die Gestaltung unserer Personalentscheidungen
 durch mehr Transparenz und Partizipation eine bessere innerparteiliche Legitimation
 ermöglicht und darüber hinaus auch mehr Qualität im Personaltableau schafft. Liberale
 Schwesterparteien wie die NEOS in Österreich können uns hier als Vorbild dienen.
 Darum fordern wir:

  •  Eine Online-Vorwahl für die Aufstellung der Landeslisten für Bundes- und
     Landtagswahlen.
     Zur Vorstellung der Kandidierenden soll eine digitale Plattform
     geschaffen werden, die für alle FDP-Mitglieder einsehbar ist und entsprechende
     Unterstützung bekundet werden kann. Mit einer hinreichenden Anzahl an
     Unterstützern wird ein Kandidierender zur Online-Vorwahl zugelassen, bei der die
     Mitglieder bspw. über ein Punktevergabesystem über die Reihung der Liste – mit
     Ausnahme der Spitzenkandidatur – abstimmen können. Dasselbe Verfahren erfolgt im
     Landesvorstand. Über ein transparentes Kombinationsverfahren wird das Ergebnis
     der Online-Vorwahl mit dem Votum des Landesvorstandes zu einem finalen Ranking
     kombiniert. Das so zustande gekommene Ranking geht dann der jeweiligen
     Landesvertreterversammlung als Vorschlagsliste zu. Wettbewerbskandidaturen
     sollen dabei natürlich weiterhin möglich bleiben.
  •  Volle Konzentration auf ein Mandat. Ein Mandat im EU-Parlament, Bundestag oder
     Landtag sollte stets Vorrang vor anderen Mandaten und Parteiämtern haben. Daher
     fordern wir von unseren hauptamtlichen Abgeordneten ein, dass sie ihre weiteren
     politischen Ämter so ausgestalten, dass sie dem hauptamtlichen Mandat jederzeit
     gerecht werden. Dabei sehen wir fachliches kommunalpolitisches Engagement in
     Form von sog. “sachkundigen Bürgern” oder Ähnlichem als unkritisch an.

 2. Moderne Arbeitsweise und Zusammensetzung des Landesvorstands

 Eine moderne Parteiarbeit der FDP Baden-Württemberg braucht einen Landesvorstand, der
 durch effiziente Strukturen, klare Zuständigkeiten und eindeutige Zielrichtung eine
 Vorbildfunktion für die Untergliederungen übernimmt. Wir fordern daher:

  •  Eine Ehrenamtsgarantie im Präsidium. Zu einem Politiker oder einer Politikerin
     wird man nicht erst durch Erringung eines Mandats. Für eine ganzheitliche
     Vertretung der Partei sind auch die Perspektiven unserer ehrenamtlich
     engagierten Parteimitglieder unerlässlich und müssen diese auch mit dem
     entsprechenden Gewicht einbringen können. Wir fordern deshalb, dass mindestens
     ein Viertel des Präsidiums rein ehrenamtlich Politik machen sollte.
  •  Einen Landesvorstand als Arbeitsgremium. Jedes gewählte Mitglied des
     Landesvorstands und des Präsidiums soll mit Antritt des Amtes einen klaren
     Aufgabenbereich erhalten, indem er oder sie unter Mitsprache einem Ressort oder
     einer Arbeitsgruppe zugeteilt wird. Die Arbeitsgruppen sollen an verschiedenen
     Projekten zur inhaltlichen und strukturellen Weiterentwicklung der Partei
     mitwirken und auch die Landesgeschäftsstelle im Rahmen der projektbezogenen
     Aufgaben ehrenamtlich unterstützen.
  •  Die Abschaffung der Kurfürsten und Säulenheiligen. Der 30-köpfige Landesvorstand
     setzt sich unter anderem auch aus Posten zusammen, für die ein Vorschlagsrecht
     der Bezirksverbände besteht – auch “Kurfürsten” oder “Säulenheilige” genannt.
     Diese Regelung halten wir für aus der Zeit gefallen, da sie das Gremium
     ineffizient aufbläht und in den parteiinternen Wettbewerb eingreift. Im Zuge
     dessen fordern wir die Abschaffung der Kurfürsten sowie eine Reduzierung des
     erweiterten Landesvorstands auf maximal 12 Personen. Das Präsidium soll die
     Größe von 8 Personen beibehalten.
  •  Option A: 

 Hinreichende regionale Vielfalt soll künftig, wenn erforderlich, über Kooptierungen
 aus den Bezirksverbänden sichergestellt werden.

  •  Option B:

 Um die regionale Vielfalt zu erhalten, soll der erweiterte Landesvorstand (eLaVo)
 nach jungliberalem Vorbild als eigenständiges Gremium in der Satzung der FDP Baden-
 Württemberg etabliert werden. Jeder Bezirksverband entsendet in das Gremium eine
 feste Anzahl an Delegierten mit Stimmrecht, die in ihrer Summe je nach Größe des
 Landesvorstands ein Überstimmen der Landesvorstandsmitglieder ermöglichen. Der
 erweiterte Landesvorstand dient als Kontrollgremium des FDP-Landesvorstands und berät
 und entscheidet über grundsätzliche politische und organisatorische Fragen sowie
 Anträge, die vom Landesparteitag nicht entschieden werden.

  •  Bewerbungsschreiben und Rechenschaftsberichte für den Landesvorstand. Alle
     Bewerberinnen und Bewerber für den Landesvorstand sollen in einem vorgegebenen
     Rahmen ein Bewerbungsschreiben oder -video veröffentlichen, welches auf einer
     zentralen Kandidatenseite bereitgestellt wird. Dort sollen außerdem auch die
     Rechenschaftsberichte aller gewählten Mitglieder am Ende einer Amtszeit
     veröffentlicht werden.
  •  Trennung zwischen Landesvorsitz und Generalsekretär/in von Fraktionsvorsitz oder
     Ministerämtern.
     Wir fordern eine satzungsrechtliche Trennung des/der
     Landesvorsitzenden und des Generalsekretärs oder der Generalsekretärin vom
     Vorsitz der Landtagsfraktion sowie von einem Ministeramt auf Landes- und
     Bundesebene. Die Anforderungen an diese Ämter sind zu unterschiedlich und der
     Zeitaufwand zu hoch, um sie in einer Person zu vereinen. Zudem kann eine
     Trennung dazu beitragen, die Wahrnehmung der FDP durch unterschiedliche Personen
     zu erhöhen.
  •  Weniger ist mehr – vor allem bei Ämtern. Jedes engagiert ausgeübte Vorstandsamt
     und Mandat nimmt viel Zeit in Anspruch. Wer viele Ämter inne hat, wird im
     Zweifel keinem gerecht werden können. Unsere Mitgliederzahl in Baden-Württemberg
     ist stark genug, um Ämterhäufung zu vermeiden. Dort, wo es die örtlichen
     Strukturen erlauben, soll das Amt der/des Vorsitzenden grundsätzlich nur in
     einer Gliederung zeitgleich ausgeübt werden können. Auch eine Doppelbelastung
     von parallel ausgeübten, hohen Ämtern in Partei- und Fraktionsvorstand sehen wir
     kritisch.

 3. Eine Partei, so vielfältig wie die Gesellschaft

 Als Partei des Individuums ist Vielfalt Teil der liberalen DNA. Mit einer
 Mitgliederbasis, die sich aus diversen Bevölkerungsgruppen zusammensetzt, kann die
 FDP alle gesellschaftlich relevanten Interessen, Anliegen und Werte in ihrem
 parteipolitischen Entscheidungsprozess leichter erkennen und aufnehmen. Daher fordern
 wir:

  •  Mehr Angebote für weibliche Mitglieder. Sowohl quantitativ als auch in der
     Repräsentanz von Frauen haben wir als liberale Parteienfamilie Aufholbedarf.
     Dazu wollen wir bestehende Strukturen und Kooperationen mit den Liberalen Frauen
     und der Friedrich-Naumann-Stiftung auf der Bundesebene stärker auch regional
     ausbauen und mehr Vernetzung durch Mentor-Mentee-Plattformen schaffen. Die
     Mentoren müssen in besonderer Weise durch integres Verhalten außerhalb und
     innerhalb des Programms einen Vorbildcharakter gewährleisten.
  •  Sensibilisierung und Ahndung von Fehlverhalten. Kein Mitglied der FDP soll
     befürchten müssen, auf das Geschlecht, den Migrationshintergrund, die Sexualität
     oder andere Merkmale reduziert zu werden. Auf gegenseitige Unterstützung und
     deutlichen Widerspruch bei sexistischen Aussagen sowie auf konsequente Ahndung
     von Fehlverhalten muss Verlass sein. Die zuständigen Ombudspersonen als
     vertrauliche Ansprechpartner sollten präsent mit Kontaktdaten auf der Webseite
     der FDP Baden-Württemberg auffindbar sein. Wir fordern die FDP außerdem dazu
     auf, einen Code of Conduct zu erarbeiten, der die wesentlichen Grundlagen zu
     Sprache, Verhalten und Darstellung der Freien Demokraten nach innen und außen
     verschriftlicht, die zu einem respektvollen Umgang beitragen.
  •  Eine Homepage und Inhalte für alle. Die FDP Baden-Württemberg richtet eine
     barrierefreie sowie in leichter Sprache verfasste Kurzversion ihrer Homepage
     ein. Diese muss über das Programm, die Organisation und die Geschichte der
     Partei aufklären sowie Kontaktinformationen und ein Mitgliedsantragsformular
     bereitstellen. Auch Landtagswahlprogramme sollten stets auch in leichter Sprache
     sowie in mehreren Fremdsprachen zur Verfügung gestellt werden.

 4. Parteistrukturen, welche die Potenziale ihrer Mitglieder heben

 Partizipation ist eines der wesentlichen Merkmale der Demokratie. Die
 innerparteilichen Strukturen müssen in der Lage sein, die Fähigkeiten und Bedürfnisse
 möglichst vieler liberal denkender Menschen zu erkennen, sie zu fördern und aktiv in
 unsere Programmatik einzubinden. Hierfür fordern wir folgende Rahmenbedingungen:

  •  Bedarfsgerechte Kostenerstattungen für Ehrenamtler. Das Engagement in einer
     Partei muss für alle bezahlbar sein. Deshalb sollen die Kostenerstattungen und
     Härtefallregelungen für Gremiensitzungen auf Landesebene über ein digitales und
     transparentes System abgewickelt werden. Perspektivisch soll das System auch
     Untergliederungen zur (freiwilligen) Nutzung zur Verfügung gestellt werden.
  •  Eine Reform der Landesfachausschüsse zu partizipativen Gremien. Die LFAs sollen
     zu Zentren der Kreativität und kollaborativen Ideenentwicklung werden.
     Landesfachausschüsse fungieren darüber hinaus als wichtiger Bestandteil zur
     Erarbeitung von Wahlprogrammen. Um das zu gewährleisten, schlagen wir eine
     organisatorische Neugliederung vor: Die Landesfachausschüsse werden vom
     Landesvorstand zu Beginn seiner Amtsperiode für deren Dauer eingerichtet und
     thematisch strukturiert. In ihren konstituierenden Sitzungen wählen die LFAs
     einen Vorsitz sowie bis zu drei Stellvertreter aus den Reihen der Teilnehmenden.
     Die bisherige Entsendungspraxis auf Kreisebene wollen wir öffnen und allen
     interessierten Mitgliedern die Aufnahme in einen LFA über eine direkte Anmeldung
     auf der Homepage ermöglichen. Die Entwicklung von Inhalten soll dabei über
     systematische und mehrgliedrige Vorgehensweisen erfolgen. Hierzu sind die
     Leitungen der LFAs in agilen Methoden zu schulen. Aus Effizienzgründen sind die
     LFA-Leitungen sowie die Landesgeschäftsstelle dazu angehalten, Sitzungstermine
     der Fachausschüsse wo möglich lokal zu bündeln, um die Vernetzung innerhalb der
     LFAs sowie der Mitgliederbasis zu fördern. LFA-Termine sollen mit einer
     Tagesordnung transparent für die Mitglieder veröffentlicht und regelmäßig
     beworben werden.
  •  Online-Abstimmungen für Anträge nach dem Alex-Müller-Verfahren. Die gelebte und
     erfolgreiche Praxis bei den Jungen Liberalen, die Antragsreihenfolge für alle
     eingegangenen Anträge durch ein vorgezogenes Alex-Müller-Verfahren zu bestimmen,
     soll auch auf Landesparteitagen der FDP zum Einsatz kommen. Leitanträge sind
     dabei vom Verfahren ausgenommen.
  •  Eine bessere Integration von Neumitgliedern. Über ein Patenschaftsprogramm
     sollen neue Freie Demokraten ein Angebot zum unkomplizierten und sozialen
     Kennenlernen des Verbandslebens erhalten. Alle Neumitglieder sollen darüber
     hinaus nach ihrem Eintritt in Koordination mit den Kreisverbänden ein digitales
     Willkommenspaket erhalten, in welchem Ansprechpersonen auf Kreis- und
     Landesebene genannt werden und alle wichtigen Infos über das Engagement in den
     FDP Strukturen enthalten sind. Zudem sollen hierzu in allen Untergliederungen
     der FDP ab Kreisebene Neumitgliederbeauftragte benannt werden.
  •  Bessere Vorbereitung und Unterstützung bei der Übernahme von Ämtern. Für die
     Übernahme von Ämtern und Aufgaben ab Orts- und Kreisebene sollen ausführliche
     Leitfäden über die Aufgaben und Best-Practices beispielsweise über das
     parteiinterne Confluence mit Wiki zur Verfügung gestellt werden.
  •  Neu gewählte Kreisvorsitzende erhalten im ersten Amtsjahr auf eigenen Wunsch
     einen „Kreis-Paten“ aus dem Landesvorstand, der bei Rückfragen zur Verfügung
     steht. Der Landesvorstand muss die neu gewählten Kreisvorsitzenden nach
     Amtsübernahme proaktiv über dieses Angebot informieren. So können wir sichern,
     dass unsere ehrenamtlichen Kreisvorsitzenden sich nicht alleine gelassen fühlen
     und die Wertschätzung erfahren, die Ihnen gebührt.

 Der Antrag hat eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren.

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