Wir Jungen Liberalen Baden-Württemberg fordern die Einführung eines Streikgesetzes. Das
soll zur Rechtssicherheit für Arbeitgeber, aber allen voran Arbeitnehmern führen, ihre Rechte
und Pflichten im Arbeitskampf besser zu verstehen. Ziel des Streikgesetzes sollte dabei
sein, die bereits bestehende Praxis durch die Rechtsprechung zu vereinheitlichen und
unterschiedliche Auslegungen und Anwendungen des Streikrechtes zu verhindern. So erst
können sich beide Seiten eines Arbeitskampfes über ihre Rechte und Pflichten im Klaren
sein.
Die Ausarbeitung eines Streikgesetzes umfasst folgende Aspekte:
1. Geltungsbereich
Art. 9 Abs. 3 GG ist die verfassungsrechtliche Grundlage für das Arbeitskampfrecht und damit das Streikrecht. Somit steht der Schutz der Arbeitskampffreiheit nicht zur Disposition des Gesetzgebers. Dieser ist lediglich dazu berechtigt, das Arbeitskampfrecht seinem Inhalt nach auszugestalten. Als vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht kann Art. 9 Abs. 3 GG nur durch kollidierendes Verfassungsrecht, bspw. durch Grundrechte Dritter eingeschränkt werden. Dies ist der Fall, wenn es im Bereich der medizinischen Versorgung, Strom- und Wasserversorgung, innere Sicherheit, Verkehr und Kommunikationsinfrastruktur zu streikbedingten Einschränkungen kommt.
2. Urabstimmung
Wir fordern die Einführung einer verpflichtenden Urabstimmung innerhalb der Gewerkschaft
vor dem Beginn einer Streikmaßnahme. Dabei müssen mehr als 75% positiv abstimmen,
damit die Gewerkschaft in den Streik gehen darf.
3. Anpassung an internationale Standards
Um den Standards der International Labour Organization (ILO) auf europäischer Ebene
gerecht zu werden, müssen auch kleinere Gewerkschaften in Ihrer Arbeit gestärkt werden.
Tarifeinheitsregelungen möchten wir abschaffen. Wir setzen uns dafür ein, Tarifpluralität
zwar grundsätzlich zu ermöglichen, jedoch Kooperationen und Tarifgemeinschaften zu
stärken sowie eine rechtliche Basis für Verhandlungen durch Tarifgemeinschaften zu bilden.
Unter anderem soll dabei nach Schweizer Vorbild eine Gewerkschaftsübergreifende
Tarifverhandlung automatisch zu Beginn der Verhandlung einberufen werden, welche die
Forderungen der Gewerkschaften zusammenfasst. Bei Tarifkollisionen soll eine
Schlichtungskommission zwischen den konkurrierenden Gewerkschaften eingesetzt werden
und ein unparteiischer Schlichter hinzugezogen werden, um Möglichkeiten einer
gemeinsamen Tarifeinigung gegenüber dem Arbeitgeber zu diskutieren. Kleineren
Gewerkschaften sollten erweiterte Beteiligungs- und Informationsrechte eingeräumt werden,
auch wenn ihre Tarifverträge nicht als vorrangig gelten.
Weiterhin lehnen wir es ab, dass eine Mindestanzahl an Arbeitnehmern für eine
Gewerkschaft relevant sein muss, um tariffähig zu sein.
4. Schlichtung
Wir fordern die Einführung eines vorgeschriebenen Schlichtungsverfahrens. Das
Schlichtungsverfahren wird von einer Schlichtungskommission durchgeführt, die sich aus
zwei unparteiischen Vorsitzenden, die von den Tarifvertragsparteien einvernehmlich berufen
werden, sowie je neun Vertretern der Arbeitgeberverbände und neun Vertretern der
Gewerkschaften zusammensetzt. Den Tarifparteien wird das Recht eingeräumt, die
Schlichtungskommission anzurufen. Die andere Partei ist dann zur Durchführung eines
Schlichtungsverfahrens verpflichtet. Ergebnis eines Schlichtungsverfahrens ist ein
Schlichtungsvorschlag, der nur durch die Annahme beider Tarifparteien gültig wird.
Solche Verfahrensbestimmungen würden das ultima-ratio-Prinzip im Arbeitskampf enorm
stärken.
5. Verhältnismäßigkeit
Wir fordern ein Verbot des Übermaßes. Dabei soll die Verhältnismäßigkeit von Streiks
definiert werden. Die Praxis, die Versorgung der Bevölkerung durch
Notdienstvereinbarungen zu gewährleisten, möchten wir verpflichtend machen. Scheitert
hierbei eine Einigung, so könnte eine tarifautonome oder staatliche Einigungsstelle
angerufen werden.
Wir stellen uns hierbei jedoch gegen Einschränkungen in Form von Ankündigungsfristen und
zeitlichen Beschränkungen des Streiks. Die Bewertung der Streikziele steht Dritten nicht zu.
6. Flächentarife und Friedenspflicht
Wir möchten die Rolle von Flächentarifverträgen klar gesetzlich definieren. Dabei möchten
wir Öffnungsklauseln verpflichtend machen, um ein Maß an Vertragsautonomie zu
gewährleisten.
Während der Laufzeit sowohl von Flächentarifen als auch von anderweitig ausgehandelten
Tarifen, muss die Friedenspflicht gelten. Sowohl Streiks als auch Aussperrungen sind dabei
zu unterlassen und bei Missachtung der Friedenspflicht, die Teilnehmenden entsprechend
festgelegter Maßnahmen zu sanktionieren.
7. Streik gegen den Staat
Gegenstand eines Streiks dürfen nur Forderungen sein, die zum Arbeitsverhältnis gehören: verfassungsrechtlich nicht geschützt ist der politische Streik, da er sich nicht gegen den Tarifvertragspartner wendet. Die Legitimierung politischer “Streiks” lehnen wir ab und setzen weiterhin auf die Freiheit zur Demonstration und politischer Teilhabe.
Der Staat ist selbst Arbeitgeber oder spielt eine wesentliche Rolle in den
Arbeitsbedingungen einzelner Branchen wie im Bereich der Pflege, der frühkindlichen
Bildung oder der Lehre. Somit sollen Streiks auch gegen den Staat als Arbeitgeber gerichtet werden können.
Hierbei gelten alle gesetzlich definierten Rechte und Pflichten. Für Beamte soll das Streikverbot als Kernbestandteil des Berufsbeamtentums weiter gelten.
Dieser Beschluss ist 5 Jahre gültig.