Vor ca. 20 Jahren hieß die grundsätzliche Fragestellung der Liberalen im Verhältnis Bürger – Staat: „Wie schützen wir den Bürger vor dem Staat?“ Die Antwort hieß damals: „Wir stärken den Bürger durch mehr staatliche Leistung.“ Man kämpfte für mehr Teilhabe- und Teilnahmerechte des einzelnen Bürgers. Das führte zu einer Reihe von Rechtsansprüchen, die alle zu erfüllen der Staat immer mächtiger, regulierender und teurer werden mußte. Doch der übermächtige, fast alles regulierende und heute selbst überforderte „Rechtswegestaat“ hat nicht zu mehr Freiheit geführt, sondern zu mehr Anspruchsdenken und Bevormundung.
Dem Bürger wird der Eindruck vermittelt, Verantwortungsübernahme und individueller Gestaltungswille lohne sich nicht. Doch erst jetzt besteht angesichts der erschöpften finanziellen Ressourcen ein auch für den Bürger offen zu Tage tretender Handlungszwang. Denn es zeichnet sich in der finanzpolitischen Realität folgender Mechanismus immer deutlicher ab. Der Staat schränkt seine Leistungen ein und dennoch steigen Abgaben und Steuern stetig an. Eine Staatsquote von über 50 Prozent sowie ein Personalkostenanteil von etwa 30 Prozent an den gesamten Staatsausgaben sprechen eine deutliche Sprache. Der Bürger als Staatskunde reagiert darauf mit Frustration und politischem Desinteresse. Zum Teil verschärft sich aber auch der Verteilungskonflikt zwischen gesellschaftlichen Gruppen.
Denn die grundsätzliche Fragestellung im Verhältnis Bürger- Staat hat sich umgekehrt. Sie lautet jetzt: „Wie schützen wir den Staat der Anspruchshaltung des einzelnen. Die traditionelle Politik reagiert auf diese Herausforderung mit der klassischen Suche nach einem Konsens. Die gefundenen Kompromisse der sogenannten „Runden Tische“ gehen dabei meistens zu Lasten der schweigenden Mehrheit und der kommenden Generationen. Runde Tische können jedoch im parlamentarischen System nur unterstützenden oder informativen Charakter besitzen, niemals aber demokratische Meinungsfindung ersetzen.
Die Jungen Liberalen Baden – Württemberg setzen dem Verständnis eines Allvorsorgestaates, der mit Aufgaben überfrachtet ist, einen bescheidenen Staat entgegen. Dieser ist durch zwei grundsätzliche Merkmale gekennzeichnet: Er beschränkt sich auf die zentralen Aufgaben in einer modernen Gesellschaft und er verrichtet seine Aufgaben effizient. Dadurch wird dem Bürger die größtmögliche Verantwortung und Handlungsfreiheit im Sinne des Subsidiaritätsprinzips übertragen und Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und Flexibilität des Gemeinwesens geschaffen.
Zu den klassischen Aufgaben eines Gemeinwesens zählt die Aufrechterhaltung innerer und äußerer Sicherheit. Beide sind öffentliche Güter, deren Bereitstellung über Steuern finanziert werden muß. Der übermäßige Ausbau der Staatstätigkeit hat dazu geführt, daß für diese originären und existentiellen Aufgaben der Staatstätigkeit immer weniger Mittel zur Verfügung gestellt werden können. Dein treten die Jungen Liberalen entschieden entgegen. Polizei, Justiz und Bundeswehr brauchen zur Erfüllung ihrer Aufgaben angemessene Ressourcen, um effektiv arbeiten zu können.
Dabei besteht ein immerwährender Zielkonflikt zwischen dem Anspruch nach Gewährleistung größtmöglicher Sicherheit und dem Anspruch nach Gewährleistung größtmöglicher Freiheit für die Bürger. Es gilt hier, immer wieder von neuem in einen ausgleichenden Abwägungsprozeß einzutreten. Sicherheit und Freiheit der Bürger können in kein Rangverhältnis untereinander gebracht werden.
Die Jungen Liberalen betrachten den Sozialstaat als wichtiges Element einer freiheitlichen und demokratischen Ordnung. Der Staat muß für eine soziale Mindestsicherung seiner Bürger Sorge tragen. Priorität aber hat die Eigenverantwortlichkeit des einzelnen. So muß der Staat erst dann für seine Bürger aufkommen, wenn der einzelne zu schwach ist, für sich selbst zu sorgen. Sozialpolitisch Wünschenswertes sowie wirtschaftlich Durchführbares und Vernünftiges sind miteinander so weit als möglich in Einklang zu bringen.
Ein durch Bürokratie aufgeblähter Sozialstaat, der alle Ansprüche zu befriedigen sucht, auch derjenigen, die seiner Hilfe nicht unmittelbar bedürfen, scheitert früher oder später an der ökonomischen Realität. Das geht zum einen zu Lasten derer, die Ziel sozialstaatlichen Handelns sein sollen: die Schwachen in der Gesellschaft. Denn diese sind im heutigen Sozialstaat oftmals die Opfer der unübersichtlichen Bürokratie und des Paragraphendschungels – schließlich wollen wir nicht, daß sozial Bedürftige als Bittsteller auftreten müssen, sondern Bürger, die selbstbewußt auch ihre sozialen Rechte einfordern können. Und es geht zum anderen zu Lasten der Gesellschaft und der kommenden Generationen, indem finanzielle Ressourcen für die Befriedigung überhöhter Ansprüche der Bürger verschwendet werden.
Die Jungen Liberalen verweisen auf ihre bereits vorgelegten Konzepte: Bürgergeld, Kapitaldeckung der Rentenversicherung und ein Mehr an Eigenverantwortung in der Krankenversicherung. Auch das Kindergeld muß sich in seiner Höhe nach dem Einkommen der Eltern richten. Wer vom bescheidenen Staat redet, redet auch vom mündigen Bürger: Weniger Staat, mehr Bürger. Der bescheidene Staat ist deshalb auch ein sehr demokratischer Staat. Nicht staatliche Bürokratie und Expertentum, sondern die Eigenverantwortung der Bürger für sich, ihre Mitbürger und die öffentlichen Angelegenheiten muß gestärkt werden. Die immerwährende Delegation von Verantwortung an „Vater Staat“ – in Deutschland eine nahezu metaphysische Gestalt – und „die Politiker“ muß ein Ende haben. Der bescheidene Staat maßt sich – gerade auch auf kommunaler Ebene vor Ort – nicht mehr an, die Verantwortung für alle Entscheidungen hinter verschlossenen Türen unter Ausschluß der Bürger zu tragen. Die repräsentative Demokratie hat sicher bewährt. Und um sie zu sichern, müssen wir sie heute ergänzen durch neue Formen der Bürgerbeteiligung auf besonders auf kommunaler Ebene.
Ziel staatlichen Handelns muß es auch sein, den Bürgern die Teilnahme an Entscheidungen über ihre Zukunft zu erleichtern und zu ermöglichen. Neue Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, das Informationsangebot für die Bürger sowie ein umfassendes Bildungsangebot sind deshalb unverzichtbare Ziele des bescheidenen liberalen Staates.
Das Bildungsangebot ist unabdingbare Voraussetzung für die Fähigkeit zur Eigenverantwortung und macht den einzelnen erst zum mündigen Bürger. Bildung sichert Chancengleichheit und beflügelt die wirtschaftliche Entwicklung. Dieser zentralen Aufgabe muß der Staat mindestens im primären und sekundären Schulwesen nachkommen. Im tertiären Bildungsbereich kann durch verschiedene Finanzierungsmodelle eine Entlastung der öffentlichen Haushalte erreicht werden. Gleichzeitig können Bildungsange-bot und die Nachfrage nach Bildung besser gesteuert werden. Die Wirtschaftspolitik der Zukunft muß sich von der herkömmlichen eklatant unterscheiden. Der Staat muß sich auf die Produktion von Infrastruktur konzentrieren und die außenwirtschaftliche Beziehungen stabilisieren Er finanziert Grundlagenforschung und hilft bei radikalen Struktureinbrüchen. Er verzichtet vollständig auf Erhaltungssubventionen unrentabler Branchen. Förderprogramme konzentrieren sich auf originäres Marktversagen z.B. aufgrund externer Effekte. Die einzelbetriebliche Förderung erfolgt nur noch kreditfinanziert. Leitidee zukünftiger Wirtschaftspolitik muß die von Ludwig Erhard begründete Ordnungs- und Wettbewerbspolitik sein.
Die Erfüllung von Staatsaufgaben muß mit geringst möglichem Mitteleinsatz geleistet werden. Die Kosten für Personal müssen deutlich gesenkt werden. Die Rekrutierung und Bezahlung von Mitarbeitern ist den Gepflogenheiten der nichtöffentlichen Arbeitsverhältnisse anzupassen. Derzeit sorgen falsche bzw. nicht vorhandene Leistungsanreize für schlechten Service.
Wenn Staatsaufgaben abgebaut werden, wird Personal freigesetzt. Analog zum Strukturwandel gilt es hier, Übergangsregelungen zu finden, die den Wandel ermöglichen und interne Widerstände überwinden. Die rechtliche Stellung der deutschen Beamten muß reformiert und das Berufsbeamtentum auf echte hoheitliche Tätigkeiten reduziert werden. Gelten müssen: leistungsabhängige Bezahlung, Flexibilisierung des Einsatzes von Beamten in räumlicher und sachlicher Hinsicht, Reform der Altersversorgung (Pensionsfonds). Schließung überflüssiger Ämter und weiterer Stellenabbau müssen konsequenter vorangetrieben werden.
In den Behörden muß der Aufbau von Organisationsstrukturen nach betrieblichen Vorbildern geleistet werden. Dazu gehören ein effizientes Controlling, eine kostenmindernde Beschaffung und eine flexiblere Arbeitsorganisation. Die einzelnen staatlichen Stellen sollten autonomer agieren können.
Um Ressourcen für Steuersenkungen und neue Schwerpunktsetzungen freizusetzen, sind Förderprogramme und Subventionen zu kürzen. alle staatlichen Programme sind degressiv und zeitlich befristet anzulegen. Der Ausstieg aus dem staatlich geförderten Steinkohlebergbau ist zwingend erforderlich. Ebenso der Rückzug aus dem subventionierten Schiffsbau. Die Landwirtschaft der Zukunft muß mit einem Bruchteil der heutigen Hilfen auskommen.
Privatisierungen müssen endlich ernsthaft realisiert werden. Der Staat als Unternehmer ist nicht marktkonform, wenn dieselben Leistungen bereits von privaten Unternehmen erbracht werden oder aber erbracht werden könnten. Das Vorhaben der Deregulierung ist ein langfristiges Vorhaben, das ständig vorangetrieben werden muß. Mit dem heutigen Stand der Überregulierung ist kein moderner Staat zu machen.
Die Bundesregierung ist zu verkleinern. Zunächst können Ministerien aufgelöst werden, ebenso Abteilungen und Referate in den Ministerien. Auf ein eigenständiges Landwirtschaftsministerium kann ebenso verzichtet werden wie auf die Ressorts Verkehr und Bau. Alle drei sollten in ein echtes Wirtschaftsministerium integriert werden. Eigene Ministerien für Entwicklungshilfe, Frauen, Jugend und Familie sind überflüssig.
Die Belastung des einzelnen mit Steuern und Abgaben muß zwingend reduziert werden. Die Aufwendungen zur sozialen Sicherung dürfen höchstens ein Viertel des gesamten Bruttoeinkommens betragen. Die durchschnittliche Belastung sollte keinesfalls über 30 % liegen. Das muß durch die große Steuerreform verwirklicht werden.
Die Haushaltsvolumina von Bund, Ländern und Gemeinden sind kontinuierlich zu reduzieren. In Zukunft fordern wir ausgeglichene öffentliche Haushalte durch ein Verbot der Neuverschuldung.
Die Bereitstellung öffentlicher Leistungen muß sich auf originäre öffentliche Güter beschränken. Die fatale Entwicklung, angeblich dem Gemeinwohl förderliche Güter als das überwinden eines Marktversagens zu deklarieren, muß beendet werden. Gleichzeitig ist die Finanzierung durch private Träger und Stiftungen, beispielsweise durch Erleichterungen im Stiftungsrecht zu fördern Von hier vorbildhafter Stiftungsvielfalt und -tätigkeit in den USA ist Deutschland noch Lichtjahre entfernt.
Die Zahl staatlich administrierter Preise muß verringert werden. Heute verzerrt der Staat beinahe die Hälfte aller Preise durch gesetzliche Regelungen oder Subventionen. Es ist darauf zu achten, daß sich die Präferenzen der Bürger in freien Preisen niederschlagen können. Das ist nur durch strikten Vorrang für die Subjektförderung und allgemeinen staatlichen Rückzug zu leisten.
Die Jungen Liberalen Baden – Württemberg treten vehement für den Abbau der Verschuldung insgesamt ein. Der bloße Abbau der Nettoneuverschuldung ist nicht ausreichend. Durch hohe Schulden werden die kommenden Generation in ungebührlichem Ausmaß belastet. Die Jungen Liberalen fordern insbesondere die FDP-Landtagsfraktion auf, bei den erforderlichen Einsparmaßnahmen Weitsicht und Augenmaß zu bewahren. Ein schnelles Füllen der Haushaltskassen durch kurzfristige Beitragserhöhungen statt notwendiger echter Reformen im System, wie bei den jüngst eingeführten Einschreibgebühren, lehnen die Jungen Liberalen ab.
Die Jungen Liberalen fordern eine weitere Verschlankung der Verwaltungsebenen durch Personalabbau und Ämterzusammenlegung bzw. -schließung. Die Jungen Liberalen erkennen die dahingehenden Anstrengungen besonders im FDP-geführten Wirtschaftsministerium ausdrücklich als wichtige und mutige Schritte in die richtige Richtung an. Die Jungen Liberalen fordern die FDP-Fraktion weiterhin auf, sich für die überfällige Abschaffung der Ministerialzulage ungeachtet des CDU-Widerstandes nachdrücklich einzusetzen.
Die Jungen Liberalen treten für die Abschaffung der Regierungspräsidien als überflüssige und ressourcenraubende Verwaltungsebene. Die Jungen Liberalen fordern die FDP-Fraktion auf, diese Forderung aus Wahlkampfzeiten nun auch in der Regierungskoalition entschlossen durchzusetzen.
Es ist nicht Aufgabe des Staates, sich in den unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen als Unternehmer zu gerieren und den Wettbewerb zu verzerren. Die Jungen Liberalen können bislang seitens der FDP-Landtagsfraktion keinen ernsthaften Reformwillen in diesem Bereich erkennen. Die Jungen Liberalen fordern die FDP-Fraktion auf, dieses Wahlkampfthema auch in der Regierungskoalition endlich entschlossen in die politische Tat umzusetzen. In diesem Sinne fordern die Jungen Liberalen die Umsetzung ihrer Privatisierungsliste.
Die Jungen Liberalen fordern den für den Städtebau zuständigen Wirtschaftsminister Dr. Döring auf, die Bürgerbeteiligung am Planungsverfahren auf kommunaler Ebene zu stärken. Bestehende Erfahrungen müssen gesammelt und analysiert werden, neue Planungsverfahren – wie etwa bei Stuttgart 21 – ausprobiert werden. Wir sind uns dabei bewußt, daß Bürgerbeteiligungen an Planungsverfahren nicht verordnet werden kann und soll. Politisch ermutigt werden können sie aber durch den zuständigen Landesminister immer.