Im Jahr 2018 gingen immer wieder die Heilmittelerbringer auf die Straße, um auf die schlechte Situation dieser Berufsgruppe aufmerksam zu machen. Zu Recht. Wenn sich nicht bald an der Situation etwas ändert, wird die Versorgung der Patienten, welche einen Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten oder Podologen benötigen, in Zukunft nicht mehr sichergestellt. Das hat verschiedene Gründe. Derzeit müssen die Auszubildenden während der Ausbildung bis zu 400 Euro im Monat an Schulgeld bezahlen. Das führt dazu, dass nicht wenige Absolventen mit Schulden bis zu 20000 Euro in den Beruf starten. Viele fangen deshalb erst gar nicht mit der Ausbildung an oder brechen die Ausbildung frustriert ab. Die Konsequenz ist ein bereits bestehender Fachkräftemangel. Einige Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Bayern und Bremen haben das Schulgeld inzwischen abgeschafft. In Baden-Württemberg und NRW wurde ein Teil des Schulgeldes vom Land übernommen. Auch der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat angekündigt, dass der Bund mit den Ländern Gespräche führen wird, damit das Schulgeld flächendeckend in der gesamten Bundesrepublik abgeschafft wird. An diese Versprechen muss er sich nun halten, denn die Länder können alleine die finanzielle Mehrbelastung nicht stemmen.
Der nächste Bereich, der angepackt werden muss, ist die geringe Vergütung. Auch hierzu wurden im Eckpunktepapier sowie im Terminservice und Versorgungsgesetz von Jens Spahn bereits folgende Vorschläge gemacht: „Die Anbindung der Preise für Leistungen der Heilmittelerbringer an die Grundlohnsumme wird generell aufgehoben. Bei ihren künftigen Preisverhandlungen haben die Vertragspartner auf Bundesebene den wachsenden Bedarf an einer wohnortnahen Versorgung mit Heilmittelleistungen, die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der freiberuflich tätigen Heilmittelerbringer sowie die Zahlung angemessener Arbeitsentgelte für die Angestellten in den ambulanten Praxen zu berücksichtigen. Dies gilt künftig auch für den Aufwand der Heilmittelerbringer für die notwendige Vor- und Nachbereitung der Behandlungseinheiten und die Dokumentation.“
Es ist richtig, die Grundlohnsummenanbindung generell aufzuheben. Was die übrigen Vorschläge angeht, bleibt für mich die Frage weiterhin offen, was die Konsequenz für die Vertragspartner sein soll, wenn der Bedarf an wohnortnaher Versorgung, die wirtschaftlichen Interessen und der Aufwand für Vor- und Nachbereitung und Dokumentation nicht berücksichtigt wird. Das hat zur Folge, dass die Erhöhung der Preise für die Leistungen, je nach Einschätzung des Bedarfs, möglicherweise nur marginal ausfällt. Die Preise können genauso gut aber auch angemessen ausfallen.
Nach der Gesetzesvorlage soll eine gemeinsame Ausgangslage für ein neues Vertragssystem geschaffen werden. Hierfür sollen zum 1. April einmalig und bundeseinheitlich für alle Krankenkassen und Vertragsregionen die Höchstpreise für Heilmittelleistungen vereinheitlicht werden. Um dies zu erreichen, werden die Leistungspositionen bundeseinheitlich auf den höchsten von einer Krankenkasse in einer Region vereinbarten Preis angehoben werden. Außerdem soll die ungleiche Behandlung zwischen den Heilmittelerbringern in den verschiedenen Bundesländern beendet werden. Ab dem 1. Januar 2020 finden die Verhandlungen über die Verträge für Heilmittelleistungen ausschließlich zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) und den Spitzenverbänden der Heilmittelerbringer statt. Es ist gut, dass an der Ungleichbehandlung endlich etwas getan wird. Es kann nicht länger der Zustand vorherrschen, dass es abhängig vom Bundesland ist, in dem man als Heilmittelerbringer arbeitet, wie viel diese Arbeit wert ist. Es ist auch zu begrüßen, dass Herr Spahn von seinem vorherigen Vorhaben, die Verhandlungen zwischen den GKV und dem Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) stattfinden zu lassen, Abstand genommen hat. Ein solcher Lösungsansatz wäre rechtlich fragwürdig gewesen, da im SHV die Spitzenverbände der Logopäden nicht vertreten sind. Somit vertritt der SHV rein rechtlich gesehen nicht die Interessen der Logopäden. Wie der Gesundheitsminister seine Vorhaben im Praktischen umsetzen will, wird sich erst zeigen müssen.
Als Drittes muss das Ausbildungssystem reformiert werden. Hierbei geht es einmal um eine Reform der Ausbildungsinhalte und zum zweiten stellt sich die Frage der Akademisierung. Was die Ausbildungsinhalte angeht, müssen wir endlich dahin kommen, dass wichtige Zertifikate bereits während der Ausbildung erworben werden. Auch digitale Abrechnungssysteme und die Kenntnisse, wie eine richtig ausgestellte Verordnung auszusehen hat. Aktuell ist der Zustand leider so, dass die Absolventen die Berufsschule mit sehr wenigen oder häufig sogar gar keinen Kenntnissen über die digitalen Abrechnungssysteme und deren Funktionsweise verlassen. Auch muss der Umgang mit digitalen Anwendungen als Unterstützung, Ergänzung und Teilersatz der Therapie gelehrt werden. Und nun zur Akademisierung: Es ist fraglich, ob eine Vollakademisierung wirklich zielführend ist. Aktuell ist die Ausbildung zu den Heilmittelberufen auch für Realschulabsolventen offen. Diesen Schülern würde im Falle der Akademisierung die Türe zu diesen Berufen verschlossen werden. Es ist sinnvoller, den bisherigen Weg, den man bei den Logopäden bereits eingeschlagen hat weiterzuverfolgen und auf die anderen Heilmittelberufe zu übertragen. Seit einigen Jahren gibt es neben der Ausbildung an einigen Universitäten die Möglichkeit, den Studiengang Logopädie zu belegen. Somit können diejenigen, die später in die Wissenschaft gehen wollen, den Studiengang belegen.
Ein letzter Bereich, in dem Verbesserungen stattfinden müssen, ist die Bürokratie. Es spricht für sich selbst, wenn ein selbständiger Heilmittelerbringer zwei Drittel seiner Arbeitszeit mit Papier verbringt und ein Drittel der Arbeitszeit den Patienten widmen kann. Das Verhältnis sollte zum Wohle der Patienten eigentlich andersherum sein. Es ist ein erster Schritt, dass die Blankoverordnung für einige Indikationen nun zur Regel werden soll. Somit besteht die Hoffnung, dass nicht mehr so viele Rezepte geändert werden müssen. Was die Forderung nach einem Direktzugang angeht, sollte man sich allerdings im Klaren darüber sein, dass in einem solchen Falle auch die Budgetierung auf die Heilmittelerbringer zukommt. Damit wären wir bei einer Maßnahme, die Herr Spahn in seinem Gesetzentwurf leider nur geringfügig in Angriff nimmt – die Abschaffung der Budgetierung. Das ist auch einer der Gründe für das teilweise auffällige Verordnungsverhalten der Ärzte. Es ist kein Wunder, dass die Ärzte beim Ausstellen von Verordnungen vorsichtiger sind, wenn sie im Falle eines Regresses horrende Strafen bezahlen müssen.
Es ist also bereits einiges in Bewegung geraten, um die Situation der Heilmittelerbringer zu verbessern, es müssen aber noch weitere Schritte erfolgen.
Laura Gareiss ist Mitglied im Kreisvorstand der JuLis Ludwigsburg und staatlich anerkannte Logopädin.