[Juliette 1/2020] – Ein Bericht von der Weltklimakonferenz

Im Dezember 2019 hatte ich eine nicht alltägliche Gelegenheit: Ich durfte an der UN-Weltklimakonferenz „COP25“ in Madrid teilnehmen. Dort war ich drei Tage mit der Delegation des Europäischen Ausschusses der Regionen (Committee of the Regions) unterwegs und durfte mich unter die Gretas, Staatschefs und Klimaaktivisten dieser Welt mischen. Dabei konnte ich viel über Klimapolitik diskutieren, spannende Kontakte knüpfen, einiges an Inputs für meine (klima-)politische Arbeit im Gemeinderat mitnehmen – und hatte eine spannende Rückreise.

Mit welchem Ziel war ich in Madrid?

Ich war in Madrid Mitglied der insgesamt achtköpfigen Delegation des EU-Ausschusses der Regionen (AdR) – angeführt vom Finnen Markku Markkula, dem Vizepräsidenten des Ausschusses, bestand diese aus Bürgermeistern, Stadträten und Regionalpräsidenten aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Zwei Mitglieder der Delegation waren „Young Elected Politicians“ des Ausschusses der Regionen, ergo junge, gewählte Mandatsträger auf kommunaler Ebene: Henrik Wickström, seines Zeichens Gemeinderat aus der finnischen Kleinstadt Inkoo und ich.

Der Ausschuss der Regionen ist die seit 1994 bestehende Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter in der Europäischen Union, also die Instanz, die die Anliegen der Städte, Gemeinden und Regionen im institutionellen Gefüge der EU vertritt. Ziel des AdR ist es, den lokalen Gebietskörperschaften ein Mitspracherecht im Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union zu geben. Unsere Delegation reiste mit dem Ziel, auch bei der supranationalen Klimagesetzgebung das Mitspracherecht der Gemeinden und Regionen zu wahren, nach Madrid. Die Städte und Gemeinden sind für 75 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich und die Powerhouses für Wirtschaftskraft und technologische Innovation in Europa – logisch also, dass ihnen auch eine große Verantwortung bei der Lösung der Klimakrise zukommen muss. Um Teil der Lösung zu sein, müssen sie mit ihren Anliegen am Verhandlungstisch sitzen. So war unser Ziel, in der Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz die Rolle der Städte und Gemeinden hervorzuheben und der Europäischen Kommission, welche ebenfalls mit einer Delegation um Kommissar Frans Timmermans in Madrid war, die klimapolitischen Forderungen des AdR – u.a. einen Ausbau nachhaltiger Finanzierungsinstrumente zur Bewältigung der Energiewende auf lokaler Ebene sowie eine Aufnahme regionaler und lokaler Klimaschutzziele (Regionally & Locally Determined Contributions, RLDCs) in das Pariser Abkommen als Ergänzung zu den dort festgesetzten nationalen Klimaschutzzielen (Nationally determined Contributions, NDCs).

Wie wurde ich für die Delegation ausgewählt?

Gemeinsam mit meinem finnischen Kollegen Henrik Wickström war ich, wie erwähnt, als Young Elected Policitian (YEP) Teil der AdR-Delegation. Neben uns beiden gibt es allerdings noch rund 100 weitere YEPs aus allen EU-Mitgliedstaaten – diese stellen die Stimme der jungen Politikerinnen und Politiker im AdR dar und treffen sich mehrmals im Jahr zu themenspezifischen Veranstaltungs-/Workshopwochen am Hauptsitz des AdR in Brüssel – beispielsweise zur Kohäsions- oder Klimapolitik. YEP kann werden, wer aus einem EU-Mitgliedsstaat stammt, unter 40 Jahre alt ist und ein kommunales Wahlamt innehat, z.B. als Bürgermeister, Stadtrat oder Mitglied eines Regionalparlaments.

Im Oktober 2019 wurde ich im Zuge der „Europäischen Woche der Regionen“ zum ersten Mal für ein YEP-Programm ausgewählt – als damals 19-Jähriger Stadtrat aus Sindelfingen erfüllte ich die Zulassungsvoraussetzungen und bewarb mich um Aufnahme. Aus den etwa 1000 eingegangenen Bewerbungen wählte der AdR dann nach Kriterien wie Geschlecht, Herkunft und politischer Zugehörigkeit 100 erfolgreiche Bewerber aus, die sich dann in Brüssel eine Woche lang mit dem Thema „europäische Kohäsionspolitik“ befassten und an der Plenarsitzung des AdR teilnahmen. Aus dem Kreis dieser Teilnehmer wurden dann nach einem zweiten Bewerbungsverfahren 30 YEPs ausgewählt, welche an der klimapolitischen Woche „YEPs United 4 Climate“ Anfang Dezember in Brüssel teilnehmen durften. Da ich mich als Aufsichtsrat zweier kommunaler Energieunternehmen mit nachhaltigen Energiekonzepten und lokaler CO2-Reduktion befasse, wählte mich der AdR auch für dieses Programm aus. Aus dem Kreise der Teilnehmer an diesem Programm wurden dann vom AdR zwei YEPs zur COP25 als Delegierte nach Madrid entsendet – Henrik und ich waren die beiden Glücklichen. Die Zusage und UN-Akkreditierung erreichte mich per Mail nur wenige Stunden nach meiner Rückkehr aus Brüssel – keine 48 Stunden später musste ich schon meinen Flug nach Madrid nehmen.

Wie sah die Arbeit meiner Delegation vor Ort aus?

Die Tage in Madrid waren spannend, aber auch arbeitsreich. Auf der Tagesordnung standen tägliche Delegationsbesprechungen im EU-Pavillon auf dem COP25-Gelände. In diesen Delegationsmeetings wurden wir von den Unterhändlern der EU-Kommission über den aktuellen Stand der Verhandlungen zum Abschlussprotokoll informiert und konnten diesen jeweils unser Feedback und unsere Ergänzungswünsche auf den Weg geben. Ich stellte bei dieser Gelegenheit zum Beispiel die Rückfrage, welche Rolle technologische Innovation als Lösungsansatz für die Klimakrise im Abschlussprotokoll spielt und wies auf die von uns YEPs im Dezember verabschiedete Resolution zur Rolle der Gemeinden und Städte beim Klimaschutz hin. Gelegentlich nahmen auch Gäste an den Delegationsmeetings teil, so beispielsweise der Ministerpräsident der Region Valencia, Ximo Puig, welcher uns ein kurzes Impulsreferat zur Bedeutung der europäischen Klimagesetzgebung um den „European Green Deal“ für seine Region gegeben hat. Abseits der Delegationsmeetings fanden im EU-Pavillon zahlreiche Veranstaltungen und Workshops statt, an denen wir Mitglieder der AdR-Delegation, aber auch Mitglieder der Delegationen des EU-Parlaments und der Europäischen Kommission teilnahmen. So sprach z.B. die EU-Kommissarin für Energie, Kadri Simson, mit uns über die „grüne“ Energiewende in Europa und Direktoren der Europäischen Investitionsbank über Fördermaßnahmen der EU, um auf lokaler Ebene für den Klimaschutz relevante Investitionen zu tätigen. Besonders beeindruckend waren auch die Gespräche mit Unternehmerinnen und Unternehmern, die ihre technologischen Innovationen präsentierten, mit denen vor Ort CO2 eingespart werden kann. So stellte ein schwedischer Stahlkonzern ein Verfahren vor, mit dem es gelingt die Stahlproduktion, bei der derzeit viel CO2 als Abfallprodukt entsteht, künftig klimaneutral zu realisieren – statt CO2 entstünde durch dieses Verfahren Wasserstoff als Syntheseprodukt. Sehr in Erinnerung blieb mir auch die Entwicklung eines spanischen Startup-Unternehmers, dem es gelang transparente Solarpanels zu entwickeln, die auf Gebäudefassaden appliziert werden – und (öffentliche) Gebäude so von Energieverbrauchern zu Energieproduzenten transformieren können. Diese Idee scheint mir auch für öffentliche Gebäude in meiner Heimatstadt, deren bauliche und energetische Sanierung bald anstehen muss, vielversprechend. Neben den Events im EU-Pavillon nahmen wir Delegationsmitglieder auch an den Veranstaltungen in den Pavillons anderer Länder teil. Einige dieser Teilnahmen waren im täglichen Schedule vorgesehen, andere konnten wir uns frei aussuchen. So nahm ich gerne an den Veranstaltungen der skandinavischen Staaten, des Gastgeberlands Spanien, oder auch einmal an den Veranstaltungen derjenigen Länder teil, die der Klimagipfel am meisten trifft – Pazifikstaaten wie Tonga und Fidschi. Die unterschiedlichen Perspektiven, die Vielfalt der Blickwinkel auf die Klimakrise in unterschiedlichen Ländern und die Einschätzung hochkarätiger wissenschaftlicher und politischer Repräsentanten dieser Staaten zu bekommen, war ein hoch spannender Teil der Delegationsarbeit. Über den Verlauf der drei Tage stand auch immer wieder die Koordination mit den Mitarbeitern von Renew Europe zwecks Social-Media-Aktivitäten und organisatorischer Planung der Tagesabläufe unserer Renew-Europe-Delegierten Jean-Noelle Verfaillie, Henrik Wickström und mir an. Einen wesentlichen Teil des Tagesgeschäfts bildeten auch Gespräche mit Medienvertretern, so hatte ich beispielsweise in Madrid ein Interview mit der Social-Media-Abteilung des AdR oder mit einem südkoreanischen Online-Fernsehsender.

Was waren die „Highlights“ meiner Reise?

Neben den Highlights im Rahmen des Tagesgeschäfts wie meinen ersten englischen TV- und Social-Media-Interviews und den vielfältigen Eindrücken in den Delegationsmeetings waren ganz besonders die Begegnungen und Gespräche mit Personen, die man ansonsten nur aus den TV-Nachrichten kennt, absolute Highlights meiner Reise nach Madrid. So konnte ich beispielsweise mit dem ehemaligen US-Außenminister John Kerry ein kurzes Gespräch führen, nachdem dieser seine Klimaschutzinitiative „World War Zero“ vorgestellt hat. Auch den US-Präsidentschaftsbewerber und Milliardär Michael Bloomberg durfte ich in Madrid erleben, bei einem Cocktailempfang meiner Delegation im kleinen Kreis konnten Henrik und ich uns bei kühlen Getränken mit dem Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, über die EU-Klimapolitik austauschen. Besonders in Erinnerung wird mir auch ein Tapasabend mit der Renew-Europe-Delegation um das französische CoR-Mitglied Jean-Noel Verfaillie, meinen finnischen YEP-Kollegen Henrik, den irisch-spanischen Generalsekretär der AdR-Gruppe von Renew Europe, Sean O’Curneen, und die Social-Media-Koordinatorin von Renew Europe bleiben. An diesem Abend diskutierten wir bei Wein und Albondigas leidenschaftlich über die Frage, wie unsere Städte der Zukunft aussehen und ob Hans-Ulrich Rülke & die FDP-Landtagsfraktion mit ihrer besonderen Zuneigung gegenüber der Wasserstofftechnologie die richtige Antwort nach der Frage, wie unsere Mobilität der Zukunft aussieht, geben. Ein weiteres Highlight aus liberaler Sicht war mein Mittagessen mit dem bayrischen JuLi-Bundestagsabgeordneten Lukas Köhler, der für die Delegation des deutschen Bundestags in Madrid war. Bei diesem Mittagessen – es gab in der Kantine, für einen Klimagipfel doch überraschend, reichlich Plastikverpackungen und delikate Nackensteaks – sprachen wir über kommunalen Klimaschutz und Veranstaltungskooperationen. Auch durfte ich mit Lukas einen kurzen Video-Gastbeitrag für den Instagram-Account der FDP-Bundestagsfraktion beisteuern.

In negativer Hinsicht ein Highlight war meine Rückreise aus Madrid: So landete ich freitagabends mit dem Flugzeug aus Madrid in Bologna, von wo aus ich nach Stuttgart weiterfliegen sollte – geriet allerdings in einen Flugstreik. Da die nächste Maschine erst 72 Stunden später flöge, durfte ich die Reise aus Bologna nach Stuttgart klimaverträglich, doch mäßig komfortabel im Flixbus antreten –inklusive spektakulärer Grenzkontrollen.

Fazit zum Klimagipfel?

Politisch ist der Klimagipfel gescheitert – das Abschlussprotokoll ist ein Minimalkompromiss, aufgrund der Blockadehaltung von Ländern wie Brasilien, Australien und den USA war es trotz der ambitionierten Verhandlungsführung der EU und ihrer Mitgliedstaaten nicht möglich, einen dem Motto des Klimagipfels „Time for Action“ gerecht werdenden, großen Wurf zur Lösung der Klimakrise zu machen. Viele der Konflikte, zum Beispiel inwiefern Staaten Verschmutzungsrechte aus alten Emissionshandelsmechanismen in einen neues, globales Emissionszertifikatehandelssystem überführen können, werden lediglich auf die kommende UN-Klimakonferenz in Glasgow vertagt und bleiben bis dahin ungelöst – und das, obwohl die Zeit drängt, probate Lösungen zu finden. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben trotz unterschiedlicher politischer Nuancierungen einen geschlossenen Eindruck hinsichtlich ihrer Ambitionen zur weltweiten CO2-Einsparung abgegeben –positiv überrascht war ich davon, wie sehr die EU, ihre Delegationen und Mitgliedsstaaten dabei auf Technologie & Innovation setzen und sich nicht in Verbotsdebatten und symbolpolitischen Forderungen ergehen, wie wir dies bei innerdeutschen Klimadebatten derzeit oft erleben. Dennoch: Die Weltgemeinschaft hat sich als wenig handlungsfähig erwiesen – was einmal mehr die Notwendigkeit verdeutlicht, auf kommunaler und lokaler Ebene für gelingenden Klimaschutz einzutreten. Gestärkt durch viele in Madrid gewonnene fachliche Inputs und Ideen aus aller Welt werde ich mit meiner FDP-Fraktion so in Sindelfingen ein probates, auf Technologie, Innovation und Anreize setzendes Klimaschutzkonzept erarbeiten. Mein Fazit zum Klimagipfel ist daher: Welt- und klimapolitisch war es enttäuschend, persönlich aber eine großartige, sensationelle Erfahrung, die ich jederzeit gerne wieder machen würde.


Maximilian Reinhardt ist Beisitzer im Landesvorstand sowie Stadtrat in Sindelfingen.