[Juliette 2/2019] – Das Südchinesische Meer als Gefahr für die Weltwirtschaft

Es ist verständlich, dass der amerikanische Präsident seit seinem Amtsantritt die volle Aufmerksamkeit der Europäer beansprucht. Der Kurs des Landes, das einst zu den engsten Verbündeten zählte, ist von heute auf morgen unberechenbar geworden. Donald Trumps Äußerungen lassen darauf schließen, dass ihm die westliche Wertegemeinschaft suspekt ist.

Bei all der berechtigten Aufmerksamkeit für Präsident Trumps Politik, müssen sich die Europäer dennoch der Frage stellen, ob nicht die Volksrepublik China die größere Herausforderung für die westliche Wertegemeinschaft darstellt. Hinweise dafür gibt es einige. China ist nicht nur zu einer ökonomischen und militärischen Supermacht herangewachsen, sondern fordert auch mit immer mehr Nachdruck die westliche Wertegemeinschaft mit eigenen Interessen, die Konzepte wie Demokratie und Menschenrechte ablehnen, heraus. Über lange Zeit hatten einige demokratische Regierungen die Hoffnung geäußert, das kommunistische Land könne sich im Zuge seiner marktwirtschaftlichen Öffnung zu einem liberalen und demokratischen Partner in der Weltgemeinschaft entwickeln. Diese naive Hoffnung wurde von realpolitischer Erkenntnis überholt. Der Einparteienstaat ist heute autoritärer denn je, und die Arbeit der Strategen, die ihre Arbeit mit Geduld und absoluter Stringenz verfolgen, zeigt Wirkung.

In Ostasien hat sich China militärisch eine regionale Vormachtstellung aufgebaut. Die chinesische Regierung erhebt seit Jahren Anspruch auf nahezu das komplette Südchinesische Meer, inklusive der Spratly-Inseln. Die Region ist eine der schnellsten wachsenden Wirtschaftszonen mit einer sehr großen Bevölkerungszahl. Das Seegebiet wird militarisiert; Inseln aufgeschüttet, Flugzeuglandebahnen sowie Raketenabwehrsysteme aufgebaut und Schiffpatrouillen eingesetzt, um die Kontrolle und die Machansprüche zu zementieren. Ein Ziel der KP-Führung ist, die Hegemonie der USA als bisherige Schutzmacht der Region zu brechen. Die Regierungen Japans, Südkoreas und Taiwans sehen sich mit schwindendem Einfluss der Amerikaner in der Region immer mehr den entgegengesetzten Interessen Chinas ausgesetzt.

Etwa die Hälfte der Handelsschifffahrt der Welt nutzt die Route durch das Südchinesische Meer. In Zahlen entspricht der transportierte Warenwert auf dieser Strecke rund 4.5 Trillionen Euro pro Jahr. Sowohl die USA als auch die chinesischen Anrainerstaaten sehen sehr wohl die Gefahr einer militärischen Nutzung der künstlich durch China aufgeschütteten Inseln. Wer das Südchinesische Meer kontrolliert, kontrolliert de facto den Welthandel. Sollten diese Handelswege jemals blockiert werden, hätte dies katastrophale Auswirkung auf die Handelsströme, auch der europäischen Länder.

Ein weiteres geo-strategische Interesse an der Region besteht aus energiepolitischen Gründen, da unter dem Meeresboden riesige Gas und Ölreserven vermutet werden: Nach Angaben der Weltbank sollen im Südchinesischen Meer mindestens sieben Millionen Barrel Öl und geschätzte 25 Trillionen Kubikmeter Erdgas lagern. Diese Reserven könnten Chinas Energieversorgung auf viele Jahre sicherstellen.

Zeitgleich arbeitet China an dem bisher größten geostrategischen Projekt des Landes: der „One Belt One Road Initiative“. Das Projekt soll auf Land- wie Wasserwegen China mit Europa und anderen Teilen der Welt verbinden. Durch bereits gebaute Eisenbahnstrecken und Pachtungen von Häfen in Europa, baut China seinen Einfluss in der EU seit Jahren gezielt aus. Das langfristige Ziel der chinesischen Regierung scheint es, den Einfluss in der EU massiv zu erhöhen was eine weitere politische Schwächung unserer Institutionen zur Folge hätte.

Wenn wir Europäer uns in der aktuellen Außenpolitik daher nur mit den Präsidenten Trump und Putin beschäftigen, könnte China am Ende der lachende Dritte sein. Eine geschwächte NATO, eine geschwächte EU, ein unwürdig auftretender Präsident des stärksten Landes der liberalen Wertegemeinschaft: Die Türen für mehr weltpolitische Dominanz öffnen sich für China immer weiter.

International werden Militär und sicherheitspolitische Strategien mehr und mehr als Garant und Nötigungsmittel eingesetzt, um eigene Außenwirtschaftsinteressen durchzusetzen. Gerade als Exportnation hat Deutschland ein immenses Interesse an freiem und fairem Handel. Das Verständnis, dass Handelspolitik die internationalen Beziehungen diktiert, ist im politischen Umfeld noch nicht überall durchgedrungen. Schlüssel für eine liberale Außenpolitik von morgen muss daher eine kluge und weitsichtige Handelspolitik sein. Als JuLis seid ihr die Generation, welche die politischen Versäumnisse von heute ausbaden muss. Die gemeinsame Suche nach cleveren und innovativen politischen Lösungen für einen regelbasierten Handel im 21. Jahrhundert sollte heute schon unser Ziel sein, um morgen auf den Weltmärkten als wirtschaftlich starker Partner wahrgenommen zu werden. Nur so können wir unsere einzigartige ökonomische Struktur der inhaber- und familiengeführten mittelständischen Unternehmen und ‚hidden champions‘ erhalten, die schon heute die Prosperität unserer Gesellschaft garantieren. In diesem Sinne, lasst es uns anpacken und gemeinsam eine liberale und sichere Zukunft für kommende Generationen gestalten.


Alexander Kulitz MdB ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Sprecher für Außenhandel und Außenwirtschaft.