Die Frage nach Rüstungsexporten polarisiert immer wieder. Aktuelle emotionale Debatten über den Export von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien machen ein weiteres Mal die Komplexität derartiger Diskussionen deutlich. Dabei müsste zumindest der rechtliche Standpunkt klar sein: Sowohl die europäische als auch die bundesdeutsche Rechtslage gibt detailliert vor, welche Kriterien bei Rüstungsexporten in Drittstaaten einzuhalten sind. Dennoch wird der Rechtsrahmen teils rigoros missachtet. Ist eine Einhaltung der geltenden Rechtslage denn wirklich zu viel verlangt?
Um der Diskussion über Rüstungsexporte folgen zu können, müssen wir im Vorfeld den rechtlichen Rahmen ausleuchten. Sowohl in der Europäischen Union als auch in der Bundesrepublik Deutschland verfügen wir über klare Rechtsrahmen, was den Handel mit Rüstungsexportgütern betrifft: In Deutschland wird der Handel mit solchen Gütern vom Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) und dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) definiert. Zusätzlich wird der Rechtsrahmen durch die politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Rüstungsgütern bestimmt. In besagten politischen Grundsätzen ist angeführt, dass der Beachtung von Menschenrechten im Bestimmungs- und Endverbleibsland bei der Entscheidung über einen Rüstungsexport ein besonderes Gewicht beizumessen ist.
Am Beispiel Saudi-Arabiens lässt sich die Problematik mit Rüstungsexporten gut skizzieren. Saudi-Arabiens Machtinhaber Mohammed bin Salman wurde in Teilen der Presse als Reformator gefeiert. Er wolle den Islam reformieren, eine Abkehr vom Wahabismus einleiten, Frauen hat er „sogar“ das Recht zum Autofahren eingeräumt. Schon damals gab es genügend Fakten, um festzustellen, dass nichts dergleichen in Saudi-Arabien erfolgt. Zu oft wurden die Menschenrechte in Saudi-Arabien verletzt. Neben der Staatspolizei finden sich auf den Straßen Saudi-Arabiens Religionspolizisten, die dafür zuständig sind, die radikale Auslegung des Islams zu überwachen.
Und dann ist da der Fall, der das Fass zum überlaufen brachte: Die grausame Ermordung Jamal Khashoggis in der saudi-arabischen Botschaft in der Türkei. Der Aufschrei nach dem Mord am saudischen Journalisten war groß. Ein Waffen- embargo für Saudi-Arabien seitens der Bundesregierung wurde ausgesprochen. Ich bin der Meinung: Hätte man alles schon vorher wissen können.
Trotz des gemeinsamen Standpunktes der EU kommt es hier immer wieder zu großen Diskussionen, wenn über mögliche Rüstungsexporte entschieden wird. Nach dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi wurde dies überdeutlich: Die deutsche Regierung reagierte mit einem kurzzeitigen Waffenembargo für Saudi-Arabien. Die französische Regierung in persona von Emmanuel Macron reagierte prompt und sparte nicht mit Kritik an der Bundesregierung. Waffenexporte nach Saudi-Arabien müssen fortgesetzt werden, so damals Macron.
Viel mehr müsste die französische Regierung an das Einhalten des eigenen Rechts erinnert werden. Keiner verlangt von den Franzosen Unmögliches. Eingefordert wird lediglich die Einhaltung geltenden Rechts auf europäischer Ebene – ein Recht, welches Frankreich mit verabschiedet hat!
Die Lösung liegt in der EU
Das Zusammenführen der zwei unterschiedlichen Positionen scheint ein aussichtsloses Unterfangen. In der Debatte wird dies oft von denjenigen ausgenutzt, die Extrempositionen umsetzen wollen: Während die eine Seite die Lösung in einem kompletten Verbot der Rüstungsexporte sieht, verliert die andere Seite oftmals den Blick für das richtige Maß.
Eine Lösung die Rüstungsexporte weder komplett untersagt, noch mit sinnvollen Maßstäben reglementiert, scheint in weiter Ferne. Klar ist: Wir müssen auf europäischer Ebene zu einer Lösung dieser Frage kommen. Einen anderen Weg gibt es nicht. Nationale Lösungen werden uns in Zeiten gemeinsamer Rüstungsprojekte keinen Schritt weiterbringen. Der Gemeinsame Standpunkt des Europäischen Rates von 2008 ist ein guter Anfang. Die Bekenntnisse zu Menschenrechten und humanitären Völkerrecht sind integraler Bestandteil der EU und des Westens – wer diese Werte nur nach Gutdünken befolgt, macht sich selbst unglaubwürdig.
Neben einer Lösung mit Maß und Mitte brauchen wir ebenfalls mehr Differenzierung in der Debatte selbst. Potenziell kann selbst ein Schlauchboot in die Kategorie Rüstungsexport fallen. Ein Schlauchboot wird im Gegensatz zu einem Panzer keine Bevölkerung unterdrücken können – und deswegen ist es wichtig und richtig, dass transparent offen gelegt wird, welche Güter in Drittstaaten verschifft werden. Ein Rüstungsexport ist nicht immer gleich ein Panzerexport, weshalb diese Differenzierung in der Debatte notwendig ist.
Was nun tun?
Eine europäische Lösung zu einer liberalen Rüstungsexportpolitik im 21. Jahrhundert wird alles andere als ein Selbstläufer. Bei einer solchen Frage kommen sehr viele unterschiedliche Meinungen an einem Tisch zusammen. Sollten wir deswegen die Debatte scheuen? Ganz sicher nicht. Es kann nicht Anspruch einer liberalen, lösungsorientieren Politik sein, Themen gerade dann unter den Tisch fallen zu lassen, wenn der Lösungsweg schwierig ist. Und warum das so ist? Dazu hat schon Hans-Dietrich Genscher die richtigen Worte gefunden: Denn die Pflicht, Leben zu schützen, schulden wir nicht den Ländern, sondern den Menschen.
Anna Neumann ist Beisitzerin im Landesvorstand der JuLis NRW und beschäftigt sich vorrangig mit außenpolitische Themen.