Autor: Johannes Vogel MdB ist stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP mit dem Schwerpunkt auf Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.
Im Winter und zu Beginn des Frühlings haben wir die exponentielle Verbreitung und die Zerstörungskraft des Coronavirus mit voller Wucht gespürt. Dass es keine Clubnächte mit hunderten Menschen auf engem Raum gab, ist schmerzlich – für die Eindämmung des Virus war es aber notwendig.
Ebenso war es richtig, dass man versucht hat, unnötige Wege in das Büro zu vermeiden. Wer problemlos zu Hause arbeiten kann, muss in der überfüllten U-Bahn nicht sich und andere gefährden. Aber die Pandemie ist keine Blaupause für den normalen Betrieb. Für den Post-Corona-Alltag brauchen wir keine Homeoffice-Pflicht. Wir brauchen ein modernes Arbeitszeitgesetz und einen modernen Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten, damit das Arbeiten von zu Hause aus öfter und besser möglich ist – dort, wo es sinnvoll und gewünscht ist.
Denn derzeit ist die Lage wie folgt: Wenn Arbeitnehmer dauerhaft am selben Arbeitsplatz arbeiten und nicht entscheiden können, ob sie zu Hause oder im Café sitzen wollen, dann greift alles so wie bei der „Telearbeit“.
Hört sich nicht nur wie 1980er Jahre an, sondern heißt auch: Der Arbeitgeber ist für den korrekten Lichteinfall der Schreibtischlampe oder auch den Neigungswinkel der Fußstütze verantwortlich. Und Laptops ohne Dockingstation sind gleich ganz verboten, weil Bildschirm und Tastatur getrennt sein müssen. Klingt absurd, ist aber die Rechtslage in Deutschland. Für Mittelständler ohne eigene Rechtsabteilung führt dies verständlicherweise zu Unsicherheiten, vielerorts wird dann womöglich lieber ganz auf Homeoffice verzichtet. Sollte es derzeit Kontrollen geben und Arbeiten mit dem Laptop aufgedeckt werden, müsste groteskerweise die Rückkehr ins Büro angeordnet werden. In der Krise wird man hier zum Glück auf Pragmatismus hoffen können. Auf Dauer kann das in einem Rechtsstaat keine Lösung sein.
Das Vorbild für ein Update unserer Arbeitswelt liegt vor der Haustür. Denn dort wurden unter dem liberalen Premierminister Mark Rutte bereits 2015 die Hausaufgaben gemacht: Einerseits wurde ein moderner Rechts- rahmen für Homeoffice eingeführt. Andererseits wurde ein faires Erörterungsrecht eingeführt. Wir glauben: Was zwischen Amsterdam und Eindhoven seit Jahren gut funktioniert, das klappt auch zwischen Hamburg und München.
Zugleich wurde dort auch das Arbeitszeitgesetz reformiert und das ist auch in Deutschland überfällig – es stammt von 1994. 1994, da surfte noch niemand im Internet, die meisten Menschen schrieben sich keine Emails und das smarteste an Telefonen war, wenn sie keine Wählscheibe mehr hatten. Wer den Menschen aber mehr Selbstbestimmung bei der Frage geben möchte, wo sie arbeiten, der muss ihnen auch mehr Flexibilität zugestehen, wann sie das tun. Denn wenn Angestellte heute am Abend um 22, 23 Uhr noch eine dienstliche Mail auch nur lesen möchten, verlangt das veraltete Arbeitszeitgesetz, dass sie am nächsten Morgen Ihre Arbeit nicht vor zehn Uhr fortsetzen.
Ich glaube, diese Regel wird heute schon in Deutschland millionenfach ignoriert. Doch wenn Gesetze aus der Zeit gefallen sind, dann dürfen wir das nicht ignorieren – sondern müssen diese modernisieren. Das ermöglicht viele Chancen: Wer mittags Zeit mit dem Kind oder den zu pflegenden Eltern verbringen will, der kann die Arbeit um 13 Uhr unterbrechen und am Abend wieder aufnehmen. Oder man kann noch ein paar Mails nach dem Abendessen beantworten, wenn die Kinder schlafen. Niemand soll mehr arbeiten oder weniger Pausen machen dürfen, aber die Einteilung soll freier als heute sein. Wir sollten uns einfach an der EU-Richtlinie orientieren: Diese gibt exakt dieselbe Wochenarbeitszeit wie in Deutschland vor, erlaubt aber mehr freiere Einteilung unter der Woche.
Eine Modernisierung der Regeln für New Work und mehr Selbstbestimmung – was für eine schöne Lehre aus der Pandemie wäre das!