[Juliette 3/2017] – Face-off zum Thema Studiengebühren

Contra:

Bildung kostet schon genug Anstrengung.
Nur kostenfrei können Universitäten auch gerecht sein.

Eigentlich scheint ein heres Ziel erreichbar. Studiengebühren senken die Zahl der Studierenden, die in den vergangenen Jahren explodierte Akademikerquote in Deutschland könnte sich durch eine solche Hürde auf ein Niveau senken, das wünschenswert wäre. Es würden wieder handwerkliche Berufe ergriffen, zahlreiche Betriebe würden nicht mehr über ein Ausbleiben von Bewerbungen auf ihre Lehrstellen jammern. Ein großes Problem könnte also auf ganz einfache Weise gelöst werden – und es wäre trotzdem falsch. Die Dimension der Gerechtigkeit ist in der Debatte um kostenfreie Bildung das Ass. Sie kann spielend leicht Argumente des Ausbildungsnachwuchses oder der Finanzierung ausstechen, denn Chancengleichheit bringt Menschen in die Situation, die wirklich besten Entscheidungen für sich selbst zu treffen.
Studien, beispielweise jene des Hochschul-Informations-Systems (HIS) und des Bildungsministeriums zeigen, dass insbesondere Menschen aus bildungsfernen Haushalten auf ein Studium verzichteten, wenn sie Studiengebühren erwarten würden. Kinder von Eltern, die einen Universitätsabschluss erworben haben, beginnen laut dieser Studie zu einer Wahrscheinlichkeit von 3 Prozent das ursprünglich geplante Studium nicht, weil es sie sich die Gebühren nicht leisten können. Bei Kindern, deren Eltern lediglich eine Lehre abgeschlossen haben, sind es schon doppelt so viele.
Man mag jetzt argumentieren, dass eine Fülle an Finanzierungsmöglichkeiten für solche Fälle zu Verfügung steht. Damit würde man sogar richtig liegen, denn sowohl Stipendien, als auch nachgelagerte Kredite oder umgekehrte Generationenverträge sind für Studierende, gerade jene aus sozioökonomisch schwachen oder bildungsfernen Haushalten, durchaus in greifbarer Nähe. Die Alternative zu einem Studium inklusive Kredit ist in den allermeisten Fällen allerdings eine Ausbildung, inklusive selbst verdientem s Geld, ohne Schulden und ohne Risiko. Die Mehrzahl aller Studierenden sind zudem ohnehin gezwungen, neben dem Studium für die Lebenserhaltung zu arbeiten, nur mit einer wohlhabenden Familie oder einem Stipendien- oder Kreditgeber im Hintergrund können sich Studierende voll auf ihre akademische Weiterentwicklung konzentrieren. Die Abschreckungswirkung liegt also in den Opportunitätskosten eines Studiums, die viele Menschen von einem solchen Kredit abschrecken.
Die Alternative wäre eine steuerfinanzierte Universitätslandschaft. Aber wenn die Finanzierung der Hochschulen über Steuergeld erfolgt, würden dann nicht die Handwerker oder Arbeiter das Studium des Arztsohnes finanzieren? Da Personen mit einem Hochschulabschluss im Durchschnitt mehr verdienen, als Personen ohne akademischen Grad, wird die Steuerkasse wieder gefüllt. Der Arztsohn zahlt also sein Studium selbst. Ein Studium lohnt sich nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für den Staat.
Unser Ziel kann es nicht sein, alle Abiturienten zu einem Studium zu bewegen. Wir sollten hingegen Abiturienten in eine Lage versetzen, in der sie selbst eine Entscheidung für ihr künftiges Leben treffen können. Die Abwägung zwischen einem Studium und einer Ausbildung sollte nicht durch eine staatliche Abschreckungspolitik gegenüber den sozioökonomisch Schwachen oder bildungsfernen Familien entschieden werden, sondern durch die Präferenzen und Talente des Einzelnen. Beste Bildung kann aus meiner Sicht nur dann erreicht werden, wenn sie auch jedem wirklich zugänglich ist.

Von Jannis Kappelmann.

Pro:

Studiengebühren sind böse – oder auch kann sich ein SPD-Plakat irren?

Aktuell kann man es wieder überall lesen „Bildung darf nichts kosten. Außer etwas anstrengung.“. Diese Meinung vertritt die SPD auf ihren Wahlplakaten. Ich weiß, dass viele von uns hier sofort unbedacht zustimmen werden. Wir sind oder waren ja in großen Teilen selbst Studenten. Und wer bezahlt schon gerne, wenn man es auch umsonst bekommen kann. Die Rechtfertigung für ein kostenloses Studium ist oft der Mehrwert für die Gesellschaft. Hier ist aber schon der erste Haken. Der Mehrwert eines Studiums müsste individuell betrachtet werden. So kann man sicher vertreten, dass eine Gesellschaft eine gewisse Anzahl an Ärzten braucht oder Juristen um das Rechtsystem aufrecht zu erhalten. schwieriger ist der gesellschaftliche Mehrwert bei einem Ägyptologen oder einem Philosophen zu definieren. Klar haben beide als Taxifahrer einen größeren Unterhaltungswert – man verzeihe mir den kleinen Scherz.

Meist gesellschaftliche Nutzen deshalb ganz einfach über höhere Steuereinnahmen definiert. Aber das ist Quatsch. Ob ich studiert habe oder nicht interessiert das Finanzamt erstmal nicht. Es gibt ja keine Sondersteuer für Studenten. Daher tragen Sie auch nicht mehr zum Steueraufkommen bei als alle anderen. Ich weiß jetzt kommt gleich – aber als Akademiker verdient man mehr. Darüber werden viele Profifußballer, Selbständige und sogar Versicherungsvertreter herzlich lachen. Der Kulturmanager und der Architekt lachen beim Thema Einkommen übrigens selten.

Der Profiteur des Studiums ist immer einer und zwar der Student. Entweder, weil er ökonomisch gesehen das richtige Studiert hat und nun tatsächlich mehr verdient als der Durchschnitt oder weil er das studieren durfte was er gerne macht. Und das ganz umsonst. Bezahlt haben es alle. Ich möchte hier auch nicht die Krankenschwester, Bäckerin und den Verkäufer heranziehen, die das Ganze mitfinanzieren mussten.

Ein wichtiger Grund für ein kostenloses Studium ist auch „Bildung darf nicht vom Konto der Eltern abhängen“ – Übrigens auch ein Plakat der SPD, dieses Mal aus 2009. Ein Studium kostet Geld, soweit so richtig. Aber den einzigen unterschied den „reiche Eltern“ machen ist, dass Sie ein risikoloses und bequemes Studium ermöglichen. Wer wirklich studieren will, der kann das in Deutschland auch. Bafög, Arbeiten, Stipendium und spezielle Kredite ermöglichen das. Allerdings muss man ohne reiche Eltern das Risiko dafür selbst tragen. Übrigens ganz genau so wie jeder Unternehmer, der eine Investition plant. Das nennt sich Eigenverantwortung und es gibt keinen Grund das Risiko an die Gesellschaft auszulagern.

Ich möchte zum Schluss kurz zusammenfassen. Die SPD irrt sich seit Jahren mit Wahlplakaten. Ein Studium sollte kein Gottesgeschenk sein für das andere zahlen. Es ist eine Investition in die eigene Bildung. Anders als von lesen, schreiben und rechnen profitiert nicht gleich die ganze Gesellschaft von meinem erworbenen Wissen. Klar als Studenten sind wir die Elite, die lenker und denker, aber vielleicht lebt die Gesellschaft ja doch eher von den Menschen die unsere Universitäten gebaut haben. PS: das wäre dann ein FDP-Plakat.

Von Steffen Seitter.