Otto Fricke ist haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Für die Juliette hat er einen Artikel über die Verschuldung Deutschlands, Zinsen und Generationengerechtigkeit geschrieben.
Unternehmerinnen wie Privatpersonen würden sich über die aktuellen Zinssätze, für die der Bund Geld aufnehmen kann, freuen. Zu Recht, denn mit ihnen könnten sie sinnvolle Investitionen finanzieren, deren Früchte ernten, und am Ende mit dem Schuldenmachen auch noch Geld verdienen.
Politisch ist es jedoch problematisch, Investitionen durch Schulden zu finanzieren. Schulden, die der Bund jetzt billig aufnimmt, müsste er schnell wieder abbauen oder aber in Zukunft teuer bezahlen. Denn zahlt der Staat seine Schulden nicht zurück, müssen nach Ablauf der Kreditlaufzeit neue Schulden aufgenommen werden, um die alten Kredite ablösen zu können, wenn sie fällig werden.
Hierbei gibt es eine große Unbekannte: Die in Zukunft fälligen Zinsen. Denn es ist höchst gefährlich, damit zu rechnen, dass die Zinsen auch in zwanzig oder dreißig Jahren noch so niedrig sind wie heute. Spätestens, wenn die Zinsen spürbar steigen, werden die billigen Schulden von heute die teure Belastung von morgen. Die meisten schuldenfinanzierten Investitionen haben ihren Wert bis dahin schon wieder verloren.
Wollte der Bund also Schulden aufnehmen, müsste man darauf vertrauen, dass sie schnell wieder abgebaut werden. Das war jedoch in der Geschichte der Bundesrepublik nahezu nie der Fall. Nur in neun der letzten 70 Jahre hat der Bund bestehende Schulden abgebaut. Und schaut man sich nur die Zeit vor den aktuellen Niedrigzinsen an, sind es nur noch vier der dann 60 Jahre.
Auch in den vergangenen fetten Jahren, in denen es ungewöhnlich hohe Steuereinnahmen gab, hat der Bund seine Schulden nur scheinbar abgebaut. Denn die zuletzt erzielten Überschüsse, die es laut schwarzer Null ja theoretisch gar nicht gab, wurden als Kreditermächtigungen in die Asyl- und Flüchtlingsrücklage verbucht, um ab 2019 ausgegeben werden zu können. Ein haushaltspolitischer Kunstgriff, mit dem Ziel, die im Haushaltsgesetz vorgesehene automatische Tilgungsverpflichtung zu umgehen. Altschulden wurden nicht getilgt. Stattdessen sparte sich die Bundesregierung die in vergangenen Jahren nicht in Anspruch genommene Erlaubnis, Schulden aufzunehmen, für die Zukunft auf, um dann – wie in diesem Jahr – angeblich eine schwarze Null vorlegen zu können. Tatsächlich müssen im Bundeshaushalt für 2020 jedoch fast zehn Milliarden Euro mit Mitteln aus der Rücklage finanziert werden. Hierdurch steigt der absolute Schuldenstand des Bundes schon jetzt wieder an. Getilgt wurde, trotz aller Überschüsse, am Ende nichts. Klug investiert aber leider auch nicht.
Genau aus diesem Grund wurde vor zehn Jahren die Schuldenbremse eingeführt. Sie soll verhindern, dass mit immer neuen Schulden neue Projekte finanziert werden. Denn mit den Schulden ist es ein wenig wie mit Lakritz während einer Diät: Kauft man nur wenig, ist es schnell weg. Kauft man mehr, isst man mehr. Sein Gewicht hält man jedoch nur, wenn man erst gar keins kauft. Selbstdisziplin wäre lobenswert, ist meist aber unrealistisch. Das gilt genauso bei Politikern – übrigens aller Parteien, auch der FDP –, die mit übermäßigen, meist schuldenfinanzierten Versprechungen gerne Wähler gewinnen. So verlockend es also ist, weder die Schuldenbremse noch die Lakritzbremse sollten aufgelockert oder abgeschafft werden.
Manche werden da einwenden, wir müssten aber doch in die Zukunft investieren. Da haben sie natürlich recht. Sinnvolle Investitionen sind dringend nötig. Von der Bekämpfung des Klimawandels bis hin zur Entwicklung künstlicher Intelligenz sind kluge Investitionen wichtig, um Deutschland zukunftsfähig zu machen. Finanzieren ließen sich diese jedoch auch ganz ohne Schulden — wenn man denn politisch will.
Lösen wir unsere Probleme jedoch mithilfe von Krediten, verbrauchen wir heute das Geld unserer Kinder und Enkel, mit dem diese morgen die Herausforderungen ihrer Zukunft angehen müssten. Sie könnten ersticken unter der Zinslast, die wir ihnen aufbürden. Jetzt Schulden zu machen, das wäre möglicherweise ökonomisch klug, aber ganz sicher politisch unverantwortlich. Denn auch in 15 Jahren werden zu viele Politiker lieber ihre Prestigeprojekte finanzieren wollen, als Bestandsschulden zu tilgen. Die Schulden werden also bleiben, die Zinslast aber wird steigen.
Otto Fricke MdB ist haushaltspolitischer Sprecher der FDP und Landesschatzmeister der FDP NRW.