Unser Land hat nach den Erfahrungen der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus
und der DDR beschlossen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen ihre
Feinde aus jeder Richtung zu verteidigen. Unsere Demokratie ist streitbar, sie wehrt
sich gegen illegale und gewaltsame, aber auch gegen scheinbar legale extremistische
Bestrebungen.
Die Instrumente und Institutionen der wehrhaften Demokratie müssen aber stets den
sich ändernden Umständen angepasst werden. Gleichzeitig ist es im Sinne einer
freiheitlich-pluralen Verfassungsordnung dringend geboten, zwischen verfassungs- und
systemfeindlichen Aktivitäten und legitimer (und notwendiger) Oppositionsarbeit zu
unterscheiden. Diese Gratwanderung muss mit besonderer Sorgfalt vorgenommen werden.
Aus diesen Gründen und unter Beachtung dieser Maßgaben sprechen sich die Jungen
Liberalen Baden-Württemberg für folgende Maßnahmen aus:
- Resilienz der Verfassungsgerichte
Nach den aktuellen Erfahrungen in Israel, Ungarn und Polen ist es von höchster
Wichtigkeit, die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der Justiz im Allgemeinen
und der Verfassungsgerichte im Besonderen gegen alle Anfechtungen zu
verteidigen. Dies ist für eine gewaltengeteilte, rechtsstaatliche
Verfassungsordnung unverzichtbar. Wir fordern daher: Zentrale Regelungen in Bezug auf das Bundesverfassungsgericht sollen ins
Grundgesetz übernommen werden (statt bisher nur einfachgesetzlich im BVerfGG),
um sie vor dem Zugriff einer einfachen Regierungsmehrheit zu schützen. Dazu
zählen insbesondere Anzahl und Aufbau der Senate, das Richterwahlverfahren mit
einer Zwei-Drittel-Mehrheit, der Ausschluss der Wiederwahl der Richter. Außerdem soll ebenfalls eine Regelung im Grundgesetz für den Fall getroffen
werden, dass eine Richterwahl längere Zeit nicht zustande kommt (durch Blockade
der Sperrminorität von einem Drittel). In diesem Fall sollte das
Bundesverfassungsgericht selbst dem Bundestag drei Kandidaten vorschlagen, die
dann mit einfacher Mehrheit gewählt werden können. Beim baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof sollte ebenfalls eine Zwei-
Drittel-Mehrheit für die Wahl der Richter festgelegt (§ 2 Abs. 2 VerfGHG)
werden. Sollte eine Richterwahl längere Zeit nicht zustande kommen, soll der
VerfGH dem Landtag selbst drei Kandidaten vorschlagen, die dann mit einfacher
Mehrheit gewählt werden können. Parallel zum BVerfG sollten die zentralen
Regelungen in Bezug auf den VerfGH, insbesondere das Richterwahlverfahren, in
die Landesverfassung übernommen werden. - Staatliche Demokratieförderung
Die finanzielle Unterstützung der demokratischen Zivilgesellschaft, etwa im
Bereich der politischen Bildung und der Extremismusprävention, ist zwar ein
wichtiger Bestandteil des Selbsterhalts unserer freiheitlichen Gesellschaft.
Gerade nach diesem Grundsatz – dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG – ist
aber zentral, dass die Bürger selbst die Initiative ergreifen und der politische
Meinungskampf keinesfalls mehrheitlich vom Staat finanziert wird. Ebenso muss
sichergestellt werden, dass die Förderung nicht nach parteipolitischen
Präferenzen und Regierungsnähe erfolgen kann. Zudem ist essentiell, dass im Rahmen der staatlichen Teilfinanzierung der
demokratischen Zivilgesellschaft keine ihrerseits extremistischen Organisationen
und Bestrebungen finanziert werden. Dies gilt insbesondere für linksradikale
Vereine, die sich unter dem Deckmantel eines „Kampfs gegen rechts“ Steuergelder
sichern, mit denen sie antikapitalistisch-antidemokratische Agitation betreiben.
Bei jeder staatlichen Demokratieförderung ist daher eine konsequent angewandte
Extremismusklausel unabdingbar. - Partei- und Vereinsverbote
Wir fordern die konsequente Anwendung der Möglichkeit von Vereinsverboten nicht
nur gegen rechtsextremistische, sondern auch linksextremistische und
fundamentalistisch-religiöse Gruppierungen und Institutionen. Wir fordern die Einführung der Möglichkeit eines temporären Wahlausschlusses für
verfassungsfeindliche Parteien als Ganzes oder einzelne Landesverbände. Dies
soll als dritte Möglichkeit neben einem Ausschluss von der staatlichen
Teilfinanzierung (Art. 21 Abs. 3 GG) und einem gänzlichen Verbot (Art. 21 Abs. 2
GG) treten sowie dieselben, hohen Voraussetzungen wie diese haben. Hierdurch
wird die Gefahr einer legalen Machtübernahme durch Verfassungsfeinde (anders als
beim bloßen Ausschluss von der staatlichen Teilfinanzierung) im Wege von Wahlen
wirksam und sofort gebannt; gleichzeitig entstehen nicht die Schwierigkeiten,
die mit einem Verbot bzw. der gänzlichen Auflösung verbunden sind
(rechtsstaatliche und effiziente Bekämpfung von Ersatzorganisationen, Wegfall
von gewählten Mandaten etc.). Zugleich handelt es sich hierbei um einen milderen
Eingriff in die Parteienfreiheit (Art. 21 Abs. 1 GG) und gibt den betroffenen
Parteien Gelegenheit (und Anreiz), auf den Weg der Verfassungstreue durch
Entfernung extremistischer Personen und Positionen zurückzufinden. Beim dritten
aufeinanderfolgenden Wahlausschluss soll die Partei jedoch ganz verboten werden. Wir fordern eine explizite gesetzliche Regelung für das Verbot von Medien und
Publikationen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung
richten. Die Vorgänge und Fachdiskussionen rund um das vorerst außer Kraft
gesetzte Verbot des rechtsextremistischen „Compact“-Magazins (und in der
Vergangenheit etwa das Verbot des linksextremistischen Portals
„linksunten.indymedia“) haben gezeigt, dass das Vereinsrecht nicht ausreicht, um
passgenaue und rechtsstaatliche Abwägungen zwischen Meinungs- und insbesondere
Pressefreiheit einerseits und dem Schutz vor verfassungsfeindlicher Agitation
andererseits zu ermöglichen. Bei einer zu schaffenden gesetzlichen Regelung für
Medienverbote sollte auf die besondere Bedeutung der Pressefreiheit für den
pluralistisch-demokratischen Diskurs geachtet werden, indem insbesondere
Maßnahmen unterhalb eines Totalverbots getroffen werden, die
verfassungsfeindliche Hetze wirksam bekämpfen, etwa Publikationsverbote für
bestimmte Autoren und ein Vorgehen gegen konkrete Inhalte. Auch muss
berücksichtigt werden, dass für Gesetzgebung im Bereich des Presse- und
Medienrechts die Länder zuständig sind. Alle Bundesländer sollten deshalb eine
gemeinsame Regelung in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich einführen. - Verfassungsschutzämter
Die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern leisten eine wichtige Arbeit im
Rahmen der Beobachtung und Offenlegung extremistischer und
verfassungsfeindlicher Umtriebe. Sie sind die erste Verteidigungslinie der
wehrhaften Demokratie, auf denen alle weiteren Maßnahmen beruhen. Gleichzeitig ist aber unbedingt sicherzustellen, dass der Verfassungsschutz bei
seiner Tätigkeit zielgenau zwischen verfassungsfeindlicher Agitation und
legitimer Regierungskritik, die das Wesensmerkmal freiheitlich-pluraler
Demokratie ist, unterscheidet. Vor diesem Hintergrund sollte die neue
Verfassungsschutzkategorie „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des
Staates“ (zuletzt VS-Bericht (Bund) 2023, S. 144ff.) entweder wieder abgeschafft
und in andere Kategorien eingeordnet werden oder die Kriterien transparenter und
präziser verfasst sowie die Kategorie in „Verfassungsschutzrelevante
Delegitimierung des demokratischen Rechtsstaats“ umbenannt werden.
In Kürze
Wir fordern:
- Die Verfassungsgerichte in Bund und Land sollen in ihrer Funktionsfähigkeit
geschützt und die Richterwahl mit einer breiten 2/3-Mehrheit geregelt werden.
Gleichzeitig soll verhindert werden, dass eine Sperrminorität die Richterwahl
blockiert. Die zentralen Regelungen müssen jeweils in die Verfassungen
übernommen werden. - Die staatliche Förderung zivilgesellschaftlicher Vereine darf nicht zum
Hauptträger der demokratischen Zivilgesellschaft werden. Es ist außerdem
zwingend eine konsequente Extremismusklausel einzuführen. - Neben der Möglichkeit des Finanzierungsausschlusses und des vollständigen
Verbots verfassungswidriger Parteien soll die Möglichkeit eines zeitweisen
Ausschlusses von Wahlen eingeführt werden. - Es soll eine spezielle Regelung für das Verbot von Medien und Publikationen
(Stichwort: Compact-Magazin) geschaffen werden, wobei insbesondere Maßnahmen
unterhalb eines Totalverbots sowie die Gesetzgebungskompetenz der Länder
berücksichtigt werden sollen. - Die Verfassungsschutzämter sollen in ihrer Arbeit auf eine klare Differenzierung
zwischen legitimer Oppositionsarbeit und Regierungskritik sowie
systemfeindlicher Gegnerschaft zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung
achten.
Die Gültigkeit des Beschlusses beträgt 5 Jahre.