04.12.2024

Wehrhafte Demokratie reformieren, schärfen, stärken


Unser Land hat nach den Erfahrungen der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus
 und der DDR beschlossen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen ihre
 Feinde aus jeder Richtung zu verteidigen. Unsere Demokratie ist streitbar, sie wehrt
 sich gegen illegale und gewaltsame, aber auch gegen scheinbar legale extremistische
 Bestrebungen.

 Die Instrumente und Institutionen der wehrhaften Demokratie müssen aber stets den
 sich ändernden Umständen angepasst werden. Gleichzeitig ist es im Sinne einer
 freiheitlich-pluralen Verfassungsordnung dringend geboten, zwischen verfassungs- und
 systemfeindlichen Aktivitäten und legitimer (und notwendiger) Oppositionsarbeit zu
 unterscheiden. Diese Gratwanderung muss mit besonderer Sorgfalt vorgenommen werden.

 Aus diesen Gründen und unter Beachtung dieser Maßgaben sprechen sich die Jungen
 Liberalen Baden-Württemberg für folgende Maßnahmen aus:

  1.  Resilienz der Verfassungsgerichte
     Nach den aktuellen Erfahrungen in Israel, Ungarn und Polen ist es von höchster
     Wichtigkeit, die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der Justiz im Allgemeinen
     und der Verfassungsgerichte im Besonderen gegen alle Anfechtungen zu
     verteidigen. Dies ist für eine gewaltengeteilte, rechtsstaatliche
     Verfassungsordnung unverzichtbar. Wir fordern daher: Zentrale Regelungen in Bezug auf das Bundesverfassungsgericht sollen ins
     Grundgesetz übernommen werden (statt bisher nur einfachgesetzlich im BVerfGG),
     um sie vor dem Zugriff einer einfachen Regierungsmehrheit zu schützen. Dazu
     zählen insbesondere Anzahl und Aufbau der Senate, das Richterwahlverfahren mit
     einer Zwei-Drittel-Mehrheit, der Ausschluss der Wiederwahl der Richter. Außerdem soll ebenfalls eine Regelung im Grundgesetz für den Fall getroffen
     werden, dass eine Richterwahl längere Zeit nicht zustande kommt (durch Blockade
     der Sperrminorität von einem Drittel). In diesem Fall sollte das
     Bundesverfassungsgericht selbst dem Bundestag drei Kandidaten vorschlagen, die
     dann mit einfacher Mehrheit gewählt werden können. Beim baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof sollte ebenfalls eine Zwei-
     Drittel-Mehrheit für die Wahl der Richter festgelegt (§ 2 Abs. 2 VerfGHG)
     werden. Sollte eine Richterwahl längere Zeit nicht zustande kommen, soll der
     VerfGH dem Landtag selbst drei Kandidaten vorschlagen, die dann mit einfacher
     Mehrheit gewählt werden können. Parallel zum BVerfG sollten die zentralen
     Regelungen in Bezug auf den VerfGH, insbesondere das Richterwahlverfahren, in
     die Landesverfassung übernommen werden.
  2.  Staatliche Demokratieförderung
     Die finanzielle Unterstützung der demokratischen Zivilgesellschaft, etwa im
     Bereich der politischen Bildung und der Extremismusprävention, ist zwar ein
     wichtiger Bestandteil des Selbsterhalts unserer freiheitlichen Gesellschaft.
     Gerade nach diesem Grundsatz – dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG – ist
     aber zentral, dass die Bürger selbst die Initiative ergreifen und der politische
     Meinungskampf keinesfalls mehrheitlich vom Staat finanziert wird. Ebenso muss
     sichergestellt werden, dass die Förderung nicht nach parteipolitischen
     Präferenzen und Regierungsnähe erfolgen kann. Zudem ist essentiell, dass im Rahmen der staatlichen Teilfinanzierung der
     demokratischen Zivilgesellschaft keine ihrerseits extremistischen Organisationen
     und Bestrebungen finanziert werden. Dies gilt insbesondere für linksradikale
     Vereine, die sich unter dem Deckmantel eines „Kampfs gegen rechts“ Steuergelder
     sichern, mit denen sie antikapitalistisch-antidemokratische Agitation betreiben.
     Bei jeder staatlichen Demokratieförderung ist daher eine konsequent angewandte
     Extremismusklausel unabdingbar.
  3.  Partei- und Vereinsverbote
     Wir fordern die konsequente Anwendung der Möglichkeit von Vereinsverboten nicht
     nur gegen rechtsextremistische, sondern auch linksextremistische und
     fundamentalistisch-religiöse Gruppierungen und Institutionen. Wir fordern die Einführung der Möglichkeit eines temporären Wahlausschlusses für
     verfassungsfeindliche Parteien als Ganzes oder einzelne Landesverbände. Dies
     soll als dritte Möglichkeit neben einem Ausschluss von der staatlichen
     Teilfinanzierung (Art. 21 Abs. 3 GG) und einem gänzlichen Verbot (Art. 21 Abs. 2
     GG) treten sowie dieselben, hohen Voraussetzungen wie diese haben. Hierdurch
     wird die Gefahr einer legalen Machtübernahme durch Verfassungsfeinde (anders als
     beim bloßen Ausschluss von der staatlichen Teilfinanzierung) im Wege von Wahlen
     wirksam und sofort gebannt; gleichzeitig entstehen nicht die Schwierigkeiten,
     die mit einem Verbot bzw. der gänzlichen Auflösung verbunden sind
     (rechtsstaatliche und effiziente Bekämpfung von Ersatzorganisationen, Wegfall
     von gewählten Mandaten etc.). Zugleich handelt es sich hierbei um einen milderen
     Eingriff in die Parteienfreiheit (Art. 21 Abs. 1 GG) und gibt den betroffenen
     Parteien Gelegenheit (und Anreiz), auf den Weg der Verfassungstreue durch
     Entfernung extremistischer Personen und Positionen zurückzufinden. Beim dritten
     aufeinanderfolgenden Wahlausschluss soll die Partei jedoch ganz verboten werden. Wir fordern eine explizite gesetzliche Regelung für das Verbot von Medien und
     Publikationen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung
     richten. Die Vorgänge und Fachdiskussionen rund um das vorerst außer Kraft
     gesetzte Verbot des rechtsextremistischen „Compact“-Magazins (und in der
     Vergangenheit etwa das Verbot des linksextremistischen Portals
     „linksunten.indymedia“) haben gezeigt, dass das Vereinsrecht nicht ausreicht, um
     passgenaue und rechtsstaatliche Abwägungen zwischen Meinungs- und insbesondere
     Pressefreiheit einerseits und dem Schutz vor verfassungsfeindlicher Agitation
     andererseits zu ermöglichen. Bei einer zu schaffenden gesetzlichen Regelung für
     Medienverbote sollte auf die besondere Bedeutung der Pressefreiheit für den
     pluralistisch-demokratischen Diskurs geachtet werden, indem insbesondere
     Maßnahmen unterhalb eines Totalverbots getroffen werden, die
     verfassungsfeindliche Hetze wirksam bekämpfen, etwa Publikationsverbote für
     bestimmte Autoren und ein Vorgehen gegen konkrete Inhalte. Auch muss
     berücksichtigt werden, dass für Gesetzgebung im Bereich des Presse- und
     Medienrechts die Länder zuständig sind. Alle Bundesländer sollten deshalb eine
     gemeinsame Regelung in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich einführen.
  4.  Verfassungsschutzämter
     Die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern leisten eine wichtige Arbeit im
     Rahmen der Beobachtung und Offenlegung extremistischer und
     verfassungsfeindlicher Umtriebe. Sie sind die erste Verteidigungslinie der
     wehrhaften Demokratie, auf denen alle weiteren Maßnahmen beruhen.  Gleichzeitig ist aber unbedingt sicherzustellen, dass der Verfassungsschutz bei
     seiner Tätigkeit zielgenau zwischen verfassungsfeindlicher Agitation und
     legitimer Regierungskritik, die das Wesensmerkmal freiheitlich-pluraler
     Demokratie ist, unterscheidet. Vor diesem Hintergrund sollte die neue
     Verfassungsschutzkategorie „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des
     Staates“ (zuletzt VS-Bericht (Bund) 2023, S. 144ff.) entweder wieder abgeschafft
     und in andere Kategorien eingeordnet werden oder die Kriterien transparenter und
     präziser verfasst sowie die Kategorie in „Verfassungsschutzrelevante
     Delegitimierung des demokratischen Rechtsstaats“ umbenannt werden.

 In Kürze

 Wir fordern:

  •  Die Verfassungsgerichte in Bund und Land sollen in ihrer Funktionsfähigkeit
     geschützt und die Richterwahl mit einer breiten 2/3-Mehrheit geregelt werden.
     Gleichzeitig soll verhindert werden, dass eine Sperrminorität die Richterwahl
     blockiert. Die zentralen Regelungen müssen jeweils in die Verfassungen
     übernommen werden.
  •  Die staatliche Förderung zivilgesellschaftlicher Vereine darf nicht zum
     Hauptträger der demokratischen Zivilgesellschaft werden. Es ist außerdem
     zwingend eine konsequente Extremismusklausel einzuführen.
  •  Neben der Möglichkeit des Finanzierungsausschlusses und des vollständigen
     Verbots verfassungswidriger Parteien soll die Möglichkeit eines zeitweisen
     Ausschlusses von Wahlen eingeführt werden.
  •  Es soll eine spezielle Regelung für das Verbot von Medien und Publikationen
     (Stichwort: Compact-Magazin) geschaffen werden, wobei insbesondere Maßnahmen
     unterhalb eines Totalverbots sowie die Gesetzgebungskompetenz der Länder
     berücksichtigt werden sollen.
  •  Die Verfassungsschutzämter sollen in ihrer Arbeit auf eine klare Differenzierung
     zwischen legitimer Oppositionsarbeit und Regierungskritik sowie
     systemfeindlicher Gegnerschaft zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung
     achten.

 Die Gültigkeit des Beschlusses beträgt 5 Jahre.

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