28.10.2001

Berufliches Bildungswesen in Mündigkeit entlassen – Marktöffnung und Wettbewerb als Leitbild moderner Beruflichkeit


Betriebliche Ausbildung ohne Bevormundung

Mehr als zwei Drittel der Schulabgänger in Deutschland absolvieren eine Ausbildung im dualen System. Dieses System weiterzuentwickeln und für die Herausforderungen einer sich rasant wandelnden Berufswelt zu rüsten ist den Jungen Liberalen ein zentrales Anliegen. Der Kostenaufwand für alle Ausbildungspartner muss dabei vertretbar bleiben.

Volle Berufsfähigkeit bleibt Bildungsziel

Berufsausbildung im dualen System und praxisorientierte Weiterbildung im Betrieb sind gleichermaßen Besonderheit und Gütesiegel des Bildungswesens in Deutschland. Betrieb und Schule vermitteln erfolgreich die volle Berufsfähigkeit. Die Ausbildung im Dualen System konkurriert heute mit alternativen Angeboten. In Europa reichen diese Alternativen von einer stark staatlich ausgerichteten beruflichen Schulbildung nach französischem Muster bis zu einer fast systemfreien Modulausbildung nach englischem Muster, die ein atomistisch strukturiertes Anlernen ermöglicht.

Aber auch national gerät das Grundmodell Betrieb – Schule unter belebenden Wettbewerbsdruck. Eine steigende Zahl an differenzierten vollzeitschulischen Ausbildungsangeboten stehen neben pluralen Ausbildungsangeboten im Betrieb – von Ausbildungsverbünden bis hin zu überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Dazu gesellen sich neue Bildungsangebote mit dualen Momenten im Hochschulsektor und im sog. Tertiären Bereich der Akademien.

Parallel verändern sich auf betrieblicher Seite die qualifikatorischen Ansprüche. Die betriebliche Ausbildung muss im Zeichen der Globalisierung für tiefgreifende Veränderungen offen sein, um einer vollen Berufsfähigkeit als Bildungsziel gerecht zu bleiben. Die Reform der Berufsausbildung im Dualen System muss auf sechs Trends eingehen:

Stete und starke Abnahme des Bedarfs an unqualifizierter Arbeit
Das schnelle Wachstum des Dienstleistungssektors
Kostenreduktion ohne Qualitätseinbußen
Stärker prozessorientierte, kooperative und in Art und Dauer variable Tätigkeitsprofile
Der gesellschaftliche Druck auf Politik und Wirtschaft, das betriebliche Ausbildungswesen auch in Zeiten von Rationalisierung und geringem Wirtschaftswachstum allen ausbildungswilligen Schulabgängern offen zu halten
Die Erwartung an Politik und Wirtschaft, mittels beruflicher Aus- und Weiterbildung Wege zum individuellen beruflichen Erfolg zu erschließen

Grundsätze moderner Ausbildung

Ausbildungsziel bleibt die volle Berufsfähigkeit. D.h. mit Ausbildungsabschluss eine vollwertige Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können, ohne dass zusätzlich eine stützende Betreuung erforderlich wird. Die Einarbeitung muss weiterhin auf ein notwendiges Minimum beschränkt bleiben.
Berufsprofile als Systemkern. Konkrete, klar abgrenzbare Berufsprofile bilden den Systemkern und vermitteln eben für jenen Beruf die volle Arbeitsfähigkeit und volle berufliche Kompetenz. Im Zentrum steht dabei die fachliche Qualifizierung. Schlüsselqualifikationen, Methoden- und Prozesskompetenz sind nach dem jeweiligen Berufsbild zu definieren und in der Ausbildungspraxis mit dem fachlichen Teil zu verbinden. Ziel ist die Befähigung zu selbständiger Planung, Durchführung und Kontrolle im gewählten Berufsprofil.
Berufsprofile ergeben sich aus Tätigkeitsfeldern, die in einem fachlichen Zusammenhang miteinander stehen und transparent, bundesweit, verlässlich, dauerhaft und prüffähig vermittelt werden können. Weder ein reines Modulsystem, noch ein Übermaß an Prozessqualifikation entsprechen dieser Anforderung. Die Identifikation von Absolventen des dualen Systems mit einem bestimmten Beruf wirkt stark motivierend und damit produktiv. Sie muss erhalten bleiben. Parallel ist jedoch mehr Flexibilität in der konkreten Gestaltung und Umsetzung der Ausbildung zu ermöglichen.
Duales Mischungsverhältnis frei wählbar. Die deutsche Wirtschaft fordert eine Ausweitung des betrieblichen Anteils der Ausbildung, um das Erfahrungslernen zu intensivieren. Aber auch der Kostenaspekt scheint hier unausgesprochen eine – durchaus legitime – Rolle zu spielen. Die Jungen Liberalen wenden sich gegen starre Vorgaben bezüglich des Verhältnisses der schulischen und betrieblichen Ausbildungsanteile. Vielmehr wollen wir zwei Minimalanforderungen an Schulen und Ausbildungsbetriebe richten; eine Minimum an schulischen Unterrichtsstunden auf der einen Seite und ein Minimum an betrieblichen Ausbildungsstunden auf der anderen Seite. Die Gesamtdauer der Ausbildung und damit die Summe der Schul- und Betriebsstunden richtet sich nach dem gewählten Zeitkorridor der Ausbildung (s. III 1.). Zwischen beiden Extremen dürfen sich dann Betrieb und Auszubildender bewegen. Sie werden sich ein auf ihre Bedürfnisse ausgerichtetes schulisches Bildungsangebot auswählen (s. Teil B: Autonome Berufsschule).
Das Zusammenstellen verzahnter Qualifikationspakete nach dem individuellen fachlichen Bedarf von Unternehmen unterschiedicher Größe
Ausbildungspotentiale erhöhen, v.a. in hochspezialisierten Unternehmen
Berufsbildende Integration Lernschwacher
Bessere Förderung Leistungsstarker ermöglichen
Verlässlichkeit beruflicher Qualifikationen im gesamten deutschen Wirtschaftsraum
Den staatlichen Berufsschulen Wege zum Bestehen im verbesserten Wettbewerb eröffnen
Gleichzeitig die wettbewerbsverzerrende Wirkung des staatlichen Berufsbildungswesens ausschalten

Satellitenmodell – Modell der fünf Freiheiten

Von den unzähligen Vorschlägen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik für einzelne Teilreförmchen der bundesdeutschen Berufsausbildung, unterstützen die Jungen Liberalen im Grundsatz das sog. Satellitenmodell. Die Jungen Liberalen schlagen es jedoch als neues, grundlegendes Ordnungsmodell für das gesamte Berufsausbildungswesen im dualen System vor. Es differenziert bei der betrieblichen Ausbildung drei Bereiche: Grundqualifikation (verpflichtend und berufsprofilgebend), Wahlpflichtbausteine (verpflichtende Auswahl einer Mindestanzahl von Zusatzqualifikationen innerhalb eines vorgegebenen Spektrums, berufsprofilschärfend) und Wahlbausteine (freie Auswahl von Zusatzqualifikationen und Vertiefungen). Das Satellitenmodell eignet sich für alle Formen der Qualifizierung nach Berufsbildern. In größerer Flexibilität und gesteigerter betrieblicher Differenzierung können für die jeweiligen Berufsprofile fachliche Qualifikationen vermittelt, vertieft und erweitert, die spezifische Handlungskompetenz erhöht, Zusatzqualifikationen angeboten und insgesamt eine engere Verbindung der Ausbildung zum Lernen in der Praxis erreicht werden. Um das Satellitenmodell bei der Vertragsgestaltung in der vollen Breite des dualen Systems einzuführen sind folgende Schritte notwendig:

Flexibilisierung von Ausbildungsdauer und –inhalten

Die Jungen Liberalen fordern eine Flexibilisierung der Ausbildungszeit für alle Berufe nach dem Berufsbildungsgesetz, um dem individuellen Ausbildungsbedarf der Betriebe und der individuellen Leistungsfähigkeit der Auszubildenden gerecht zu werden. Die starre Festlegung auf eine Ausbildungszeit von 3 bzw. 3,5 Jahren hat in der Praxis zu einer umständlichen Syntax von möglichen Verkürzungsgründen geführt. Deshalb befürworten wir einen Zeitkorridor mit verbindlichen Eckwerten von mindestens 2 bis höchstens 3,5 Jahren. Dadurch eröffnen sich zeitlich wie inhaltlich Wahloptionen für Betrieb und Auszubildenden. Mit Abschluss des Ausbildungsvertrages einigen sich beide Parteien neben den berufsprofilgebenden Standardanforderungen auf das Angebot vertiefender, ergänzender oder sonstiger Qualifikationen. Inhaltlich wählen sie Wahlpflichtbausteine und ggf. Wahlbausteine aus. Mit der Bestimmung der Wahlpflicht und Wahlbausteine werden die über die berufsprofilgebenden Standards hinaus gehenden Prüfungsinhalte festgelegt. Betrieb und Auszubildender entscheiden, in welcher Form und Zeit die volle Berufsfähigkeit in einem bestimmten Zeitrahmen innerhalb des übergreifenden Zeitkorridors vermittelt wird.

Ordnungspolitische Reform

Künftig ist das starre Institut der Ausbildungsordnung als Rechtsverordnung auf die beruflichen Kernqualifikationen als Mindestausbildungsinhalt (berufsprofilgebend) zu reduzieren. Damit ist die Vielzahl geregelter fachrichtungsspezifischer Qualifikationen innerhalb eines Berufsbildes radikal zu reduzieren. Die Ausbildungsordnung hat nur noch Rahmenüberschriften aufzuführen. Darüber hinaus regelt die Ausbildungsordnung künftig die Mindestzahl und die Auswahlmöglichkeiten der berufsprofilschärfenden Wahlpflichtbausteine.

Prüfungsinhalte

Prüfungen haben weiterhin das Ziel der bundesweiten Vergleichbarkeit und Transparenz von Ausbildungsleistungen auf qualitativ hohem Niveau. Sie müssen die überbetriebliche Aussagefähigkeit wie auch die Mobilität der Absolventen gewährleisten. Ein überregional einheitlicher Charakter von Prüfungsstrukturen und –aufgaben ist daher nötig. Im Satellitenmodell müssen die Prüfungen entlang des individualisierten Ausbildungsrasters stattfinden.

Zur Prüfung der Grundqualifikationen und der Wahlpflichtbausteine ist das aktuelle Kammermonopol jedoch keinesfalls vonnöten. Auch bei derlei hoheitlichen Aufgaben ist die Zulassung von Wettbewerb möglich und nötig. Für Wahlbausteine und Zusatzqualifikationen sind von den autorisierten Stellen ebenfalls Prüfoptionen anzubieten. Auf Zwischenprüfungen kann im Satellitenmodell verzichtet werden, denn Abschlussprüfungen können zeitlich deutlich vor dem Ausbildungsende begonnen werden.

Modell der fünf Freiheiten

Die fünf Freiheitsdimensionen des Satellitenmodells sind: a) Wahl der Ausbildungsdauer: zwischen 2 und 3,5 Jahre b) Wahl der Ausbildungsinhalte: Wahlpflichtbausteine zur Auswahl, Wahlbausteine zur freien Wahl c) Wahl des Prüfungstermins: Prüfungen können je nach Bedarf in Etappen erfolegen d) Wahl der prüfungsabnehmenden Stelle: Das Kammermonopol in diesem Bereich ist aufzubrechen e) Freiwilligkeit der Prüfung in Wahlbausteinen


Die Autonome Berufsschule

Die neuen flexiblen Ausbildungsanforderungen in den Unternehmen müssen von den Berufsschulen begleitet und unterstützt werden können.

Modernisierung der Berufsschulen

Die Berufsschulen stehen vor großen Herausforderungen: Neue und modernisierte Berufe mit vielfältigen Wahlelementen erhöhen das Ausbildungsengagement der Betriebe, stellen die Berufsschulen aber vor Organisationsprobleme. Die Ausstattung der Berufsschulen entspricht häufig nicht den Anforderungen moderner Berufe. Sie ist abhängig von der Finanzlage der Träger (Stadt- und Landkreise gem. § 28 Schulgesetz BW). Die Lehrerschaft droht zu veralten, ein Lehrermangel in anspruchsvollen Zukunftsberufen ist absehbar. Der Modernisierungskurs in der Beruflichen Bildung darf deshalb vor der Berufsschule nicht halt machen. Anspruchsvolle Ausbildungen im Betrieb bedürfen einer leistungsfähigen Ergänzung durch den Partner Berufsschule. Insbesondere kleinere und mittlere Ausbildungsbetriebe wären ohne Berufsschule nicht in der Lage, ihre Auszubildenden zur Berufsbefähigung zu führen.

Schlechte Performance der unselbständigen Berufsschule
Gleichwohl müssen sich die Berufsschulen ändern. Die Unzufriedenheit der Schüler wie der Betriebe mit den Leistungen der Berufsschulen ist enorm. Auszubildende schätzen die Qualität des Lernortes Betrieb mit großem Abstand höher ein als den des Lernortes Berufsschule.

Fehlende Gestaltungsmöglichkeiten
Die Kundenzufriedenheit kann nur dann zunehmen, wenn das Angebot besser auf die Zielgruppen ausgerichtet wird. Fehlende Gestaltungsspielräume verhindern pluralistische Profilbildungen, Kundenorientierung und Qualitätsausrichtung im Rahmen bundeseinheitlicher Standards für die Ausbildung in Betrieb und Schule.

Gestaltungsspielräume für bessere Kundenorientierung schaffen

Veränderte Zielgruppe

Die Kunden der Berufsschule sind die Ausbildungsbetriebe, ebenso aber die Auszubildenden. Von großer Bedeutung – aber bislang weitgehend ohne Konsequenz – ist der Wandel der Zielgruppe. Bestand noch vor dreißig Jahren der Großteil der Berufsschüler aus einer relativ homogenen Gruppe minderjähriger Hauptschulabgänger, so sehen sich die Berufsschulen heutzutage einer heterogenen Gruppe von zumeist erwachsenen Auszubildenden mit überwiegend mittlerem oder höherem Schulabschluss gegenüber.

Kein Zwang zur Allgemeinbildung Allgemeingebildeter

Für die betroffenen Schüler und Ausbildungsbetriebe unverständlich ist, dass auch Erwachsene mit mittlerem oder höherem Abschluss an allgemeinbildenden Schulen in einem Drittel ihrer Berufsschulzeit nochmals „allgemein gebildet“ werden sollen.

Heterogenes Angebot für heterogene Kundschaft

Der zunehmend heterogenen Kundschaft begegnen die Berufsschulen bislang mit einem weiterhin einheitlichen Angebot. Die Berufsschulen drohen damit in der sich wandelnden Bildungslandschaft, in der allerorts um Gestaltungsspielräume, Profilbildung, Kundenorientierung und Qualitätssicherung gerungen wird, zu einem Fossil zu werden.

Neue Berufsstrukturen berücksichtigen

Die Berufsschulen sind Gefangene im engen Korsett eines nivellierenden Systems. Sie müssen sich aber den Herausforderungen aus der Entwicklung neuer und zukunftsgerichteter Berufsbilder individuell stellen können. Um der immer differenzierteren betrieblichen Wirklichkeit besser gerecht zu werden, enthalten neue Ausbildungsordnungen zunehmend Wahlmöglichkeiten für bestimmte Ausbildungsinhalte. Auf diese Weise gelingt es auch in stark fragmentierten Branchen kleinere, ausbildungsunkundige Betriebe für die Ausbildung zu gewinnen, welche die Inhalte einer Ausbildungsordnung allein nicht vollständig vermitteln könnten. Künftig sind immer weniger uniforme Ausbildungsordnungen zu erwarten.

Ausbildungsordnungen mit Gestaltungsspielraum

Die Berufsschulen gerieten in einen kaum lösbaren Konflikt, wollten sie der Differenzierung der betrieblichen Ausbildungsinhalte eine ähnlich weitgehende Differenzierung der schulischen Ausbildungsinhalte entgegen stellen. Wahlbausteine, die nur von relativ wenigen Betrieben vermittelt werden, könnten von den Berufsschulen nur in überörtlichen Fachklassen vermittelt werden. Die von Schülern wie Betrieben immer wieder aufgestellte Forderung nach einer wohnort- und betriebsnahen Beschulung könnte damit nicht gewährleistet werden.

Rahmenlehrplan und Ausbildungsordnung

Die unterschiedlichen Aufgaben der beiden Lernorte Schule und Betrieb kommen auch bisher schon dadurch zum Ausdruck, dass für Betriebe Ausbildungsordnungen verpflichtend sind, während sich die Berufsschule an Rahmenlehrplänen ausrichtet. Eine inhaltliche Abstimmung von Ausbildungsordnung und Rahmenlehrplan ist Voraussetzung für eine sinnvoll strukturierte Ausbildung. Keinesfalls sind sie aber identisch. Für die Autonome Berufsschule sollen durch Rahmenlehrpläne lediglich Mindeststandards festgelegt werden. Folgerichtig wird bei modernen Ausbildungsordnungen mit Wahlelementen schon heute nicht zwangsläufig auch ein Rahmenlehrplan mit Wahlelementen beschlossen. So enthalten die Ausbildungsordnungen für die neugeordneten Druckberufe eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten, die Rahmenlehrpläne sehen jedoch nur eine geringe Differenzierung vor. Auf diese Weise kann es gelingen, zusätzliche Ausbildungsbetriebe mit spezialisierter Produktpalette zu gewinnen, ohne dass Ausbildungsstandards verloren gehen.

Profilbildung ermöglichen

Schon bislang konnten – und mussten – die Berufsschulen nicht jeden einzelnen Inhalt einer Ausbildung schulisch begleiten. Die neue Lernfeldorientierung verlangt sogar noch nach einer stärkeren Konzentration auf berufstypische Themen. Damit ergibt sich die Folgerung, dass sich die Berufsschulen auf die Vermittlung von Grundqualifikationen konzentrieren können.

Bei Ausbildungsordnungen, die neben Grundqualifikationen auch Wahlpflicht- und Wahlbausteine enthalten, gehört deshalb die schulische Vermittlung der Wahlelemente nicht zwingend zum Standardangebot der einzelnen zuständigen Berufsschule. Die Berufsschulen sollten aber Entsprechendes als Dienstleistung für Betriebe und Auszubildende anbieten können. Sie treten dann auf diesem Feld in Konkurrenz mit anderen Anbietern, seien es private Berufsschulen, Akademien, freie Träger oder aber auch betriebliche Eigenleistungen. Hiermit ergeben sich für die Berufsschulen Chancen zur stärkeren Profilgebung.

Autonome Berufsschule

Voraussetzung für diese Abkehr vom für alle Berufsschulen verpflichtenden Einheitsprogramm ist eine stärkere Autonomie der einzelnen Schule. In dem Maße, in dem der Schule Verantwortung übertragen wird, gewinnt sie an Selbständigkeit und Handlungsfreiheit.

Wettbewerb über Qualität und Profil des Bildungsangebots

In erster Linie findet in einem liberalen System des Wettbewerbs der Autonomen Berufsschulen die Evaluation mit den Füßen statt. Die Autonomen Berufsschulen konkurrieren über die unterschiedlichen Profile und die Qualität der Bildungsangebote um die Bildungsnachfrage. Zu diesem Zwecke müssen die Kunden der Berufsschulen, die auszubildenden Berufsschüler und die Ausbildungsbetriebe, mit Nachfragemacht ausgestattet werden. Die Jungen Liberalen setzen sich in den Stadt- und Landkreisen deshalb für Modelle zur Finanzierung der Berufsschulen über Bildungsgutscheine ein. Dabei bestimmt sich die Höhe der einzelnen Globalhaushalte der Berufsschulen nach deren individueller Frequentierung. Bei Bildungsgutscheinen handelt es sich um fixe Pro-Kopf-Beträge, die Schüler und Ausbildungsbetrieb einvernehmlich bei einer Berufsschule ihrer Wahl einlösen. Sie sind sowohl bei staatlichen als auch bei (teil-)privaten Berufsschulen einlösbar. Dadurch verliert das staatliche Berufsschulwesen seinen wettbewerbsverzerrenden Charakter. Gleichzeitig wird der Zugang zu privaten Bildungseinrichtungen von den finanziellen Verhältnissen des Schülers und seines Betriebs stärker entkoppelt.

Qualität sichern

Autonomie ohne einengende Vorgaben und Kontrollen muss die verstärkte Eigenverantwortung der einzelnen Schulen mit Blick auf Budget, Schulangebot und Lernmethoden mit einer stärkeren und regelmäßigen Evaluation verbunden werden.

Evaluation statt Schulaufsicht

Qualitätssicherung und –steigerung müssen von den einzelnen Schulen gewährleistet werden. Vergleichstests erhöhen die Markttransparenz und damit die positiven Effekte des Wettbewerbs. Sie sind den Kunden der Berufsschulen ebenso eine wichtige Orientierungshilfe wie die Einführung zertifizierter Qualitätsmanagementsysteme.

Qualität dokumentieren

Ohnehin muss die Gewährleistung der vollständigen Vermittlung der in den Rahmenlehrplänen enthaltenen Ausbildungsinhalte – anders als bislang – zur Mindestanforderung werden. Dabei sollte das Pflichtprogramm der Berufsschulen bei differenzierten Berufsbildern auf die Grundqualifikationen beschränkt werden. Notwendig wäre eine von Dritten überprüfte und rechtlich anfechtbare Vermittlungsgarantie.

Selbstverpflichtung der Schulen zur Vermittlung

Die Erfüllung von Qualitätsstandards wird häufig auch als Vorbedingung für die Anrechnung von Berufsschulleistungen auf die Abschlussprüfung genannt. Allerdings scheint in einem sich absehbar ändernden Umfeld die bloße Forderung nach Anrechnung nicht sinnvoll. Die Abschlussprüfungen verändern sich in Richtung Handlungsorientierung; moderne Prüfungsformen unterscheiden mitunter nicht einmal mehr nach schriftlicher und praktischer Prüfung. Konnten früher Berufsschulfächer und Prüfungsfächer zumindest teilweise zugeordnet werden, ist eine Zuordnung von Lernfeldern und Teilen einer ganzheitlichen Abschlussprüfung kaum noch möglich.

Anrechnungsforderung nicht mehr sinnvoll

Gleichzeitig ist ein zunehmend differenziertes Angebot der einzelnen Schulen zu erwarten, da mehr als bei der bisherigen Fächerorientierung der pädagogischen Freiheit des Lehrers überlassen bleibt. Die sinnvolle Ausrichtung auf die Branchen- und Größenstrukturen vor Ort und auf das individuelle Lerntempo der Teilnehmer bringt es mit sich, dass die Vergleichbarkeit auf Notenbasis immer weniger gegeben sein wird.

Der Segen des Wettbewerbs

Generell herrschen in der Wirtschaft Zweifel, ob die Berufsschulen ohne weiteres in der Lage sein werden, eine Ausbildungsverpflichtung einzugehen. Die dem raschen technologischen Wandel kaum nachkommende Ausstattung der Berufsschulen, deutet auf fortbestehende Defizite hin. Es kann in einem System der Autonomen Berufsschulen für die Vermittlung fachtheorethischer Inhalte vermehrt auf Praktiker zurückgegriffen werden. Ein verstärkter Personaltausch zwischen Ausbildern und Lehrern könnte das Zusammenwirken der Lernorte verbessern.

Ausstattungsmängel

Die aufgezeigten Reformschritte würden die Berufsschulen wegbringen von einer staatlichen Zwangseinrichtung, der Betriebe und Auszubildende oftmals nur entfliehen wollen. Die Berufsschulen könnten sich im Wettbewerb der regionalen Bildungszentren weiter entwickeln.

Berufsschulen in die Mündigkeit entlassen

Die weiterhin wenigstens anteilig aus öffentlichen Mitteln finanzierten Berufsschulen hätten die Pflicht zur Bereitstellung bestimmter Leistungen. Diese müssten sie aber nicht unbedingt selbst erbringen, sie könnten bestimmte Leistungen auch einkaufen, z.B. durch Nutzung modern ausgestatteter Bildungszentren oder durch den Einsatz qualifizierter Experten. Solche Wege des Public-Private-Partnership müssen im Bildungsbereich – wie schon jetzt in anderen Politikbereichen – selbstverständlich werden.

Pflichtprogramm durch Zukauf optimieren

Neben dem schon fast etablierten Wanderlehrer kann zukünftig auch das Telelernen eine wichtige Rolle spielen. Gerade in der Fläche kann es dazu beitragen, die Wege zum Unterricht zu verkürzen. Die Schüler müssen nicht unbedingt in die Schule kommen; auch die Schule kann auf elektronischem Weg zum Schüler kommen. Der Lehrer kann sich dann auf die „coach“-Funktion zurückziehen.

Abbau der Warteschleifen

Die durch schwindende Schülerzahlen in den nächsten Jahren frei werdenden Kapazitäten sind der Modernisierung der Berufsschulen zuzuführen. Insbesondere werden viele der sogenannten berufsvorbereitenden Maßnahmen entbehrlich sein, wenn die Schulabgängerzahlen zurückgehen. Die Umschichtung zugunsten der betrieblichen Ausbildung muss schon jetzt vorausschauend beginnen.

Umschichtung der Kapazitäten

Über die Pflichtelemente der Berufsschule hinaus hätten Auszubildende und Betriebe selbst die Pflicht zur Aneignung der die betriebliche Ausbildung ergänzenden Inhalte. Der Wettbewerb unter den Anbietern führt zwangsläufig zu mehr Qualität und damit auch zur Stärkung des dualen Systems.

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